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Börsenausblick: Zinsentscheide als Aufputschmittel

Wer der Börsenweisheit "sell in May and go away" folgen will, sollte abwarten, was die Notenbanker in Europa und den USA in der ersten Maiwoche tun. Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte mit einer Zinssenkung die Aktienkurse anfeuern und auch die US-Notenbanker dürften ihre konjunkturstützenden Maßnahmen zur Freude der Wall Street ungebremst fortsetzen. Wegen der zuletzt schwachen Wirtschaftsdaten könnte die EZB das erste Mal seit Mitte 2012 wieder an der Zinsschraube drehen. Viele Experten erwarten, dass sie die Leitzinsen in der Sitzung am Donnerstag um 25 Basispunkte auf 0,5 Prozent senkt.

Das könnte vor allem den großen Unternehmen in Europa helfen, sich günstiger mit Fremdkapital einzudecken und ihre Altschulden besser zu refinanzieren. "Dies ist ein nicht zu unterschätzender Effekt für die Unternehmensgewinne und dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass die Kurse an den europäischen Aktienmärkten trotz zahlreicher negativer Wirtschaftsdaten in den vergangen Tagen so stark angestiegen sind", heißt es im Wochenausblick der Bank M.M. Warburg. In der Tat gab es am Aktienmarkt bereits reichlich Vorschusslorbeeren. Zinssenkungsfantasien sorgten auf Wochensicht beim Dax für ein Plus von 4,8 Prozent. Sie können die Aktienmärkte auch zu Wochenanfang nach Ansicht von Marktstratege Bernd Krampen von der NordLB zunächst weiter nach oben treiben.

Eine erste Realitätsprüfung wird der Maifeiertag sein. Dann verkündet die US-Notenbank Fed ihren Zinsentscheid. Da die US-Wirtschaft im Frühjahr an Fahrt verloren hat, dürfte es nach Meinung von Experten keine Signale für eine Verringerung des Anleihekaufprogrammes geben. "Die Fed kauft weiter ohne Abstriche", ist sich die Commerzbank sicher. Dies gelte umso mehr, als die Inflationsrate in den USA deutlich unter dem Ziel der Fed liege. Analysten gehen auch davon aus, dass sie den Leitzinskorridor von null bis 0,25 Prozent beibehält.

Wie lange die US-Banker um Ben Bernanke ihren ultralockeren geldpolitischen Kurs fortsetzen, hängt von der Entwicklung der Wirtschaft und insbesondere vom Arbeitsmarkt ab. "Die Fed hat noch nicht genügend Daten seit der letzten Sitzung gesammelt, um eine Änderung ihrer Politik rechtfertigen zu können", sagt Brian Jacobsen, Chef-Stratege von Wells Fargo Funds Management. Bis September werde sie ihre Haltung voraussichtlich beibehalten.

Weiteren Aufschluss über die Lage der Konjunktur erhoffen sie sich von einer Reihe von Daten, die im Laufe der neuen Woche veröffentlicht werden. Höhepunkt ist dann am Freitag der Arbeitsmarktbericht für April. Der dürfte Marktteilnehmern zufolge etwas besser ausfallen als die enttäuschenden März-Zahlen. "Wenn das so eintritt, wird der Markt zügig darüber hinweggehen. Fällt er aber schlechter aus als der letzte Bericht, können die Kurse deutlich nach unten gehen", sagt Stratege Krampen. Nach der jüngsten Rally könnten sich Anleger geradezu auf die Lauer legen, um ihre Gewinne einzustreichen, sagt Kollege John Praveen von Prudential International Investment Advisers. Auf Wochensicht legte der Dow-Jones-Index um 1,1 Prozent, der S&P 500 um 1,7 Prozent und die Technologiebörse Nasdaq um 2,3 Prozent zu.

Weitere Impulse wird die laufende Bilanzsaison liefern. In den USA ist der Optimismus von Analysten nach gut der Hälfte gestiegen. Gut die Hälfte der 500 im S&P gelisteten Firmen haben sich bereits in die Bücher schauen lassen. 69 Prozent übertrafen die Erwartungen. Beobachter gehen daher davon aus, dass das Gewinnwachstum zu Beginn des Jahres insgesamt 3,8 Prozent betragen wird. Noch vor drei Wochen lag es lediglich bei 1,5 Prozent.

Am Montagabend legt die Deutsche Börse ihre Quartalsbilanz vor, am Dienstag folgen unter anderem Konkurrent Nyse Euronext sowie Fresenius und FMC, Pfizer und BP. Am hiesigen Maifeiertag stehen aus den USA unter anderem Merck & Co, Time Warner und Visa an, am Donnerstag geht es mit Zahlen von BMW, Lufthansa, Metro, Siemens, Infineon weiter. Den Wochenabschluss bilden Adidas und Telefonica Deutschland.

Die Deutsche Bank legt ebenfalls am Dienstag ihre Zahlen vor. Analysten rechnen beim größten deutschen Geldhaus im ersten Vierteljahr mit einem Nettogewinn von 1,1 Milliarden Euro. Das wäre zwar ein Fünftel weniger als vor einem Jahr, aber eine deutliche Belebung nach dem Verlust im letzten Quartal 2012.