Morrien: BP: Der Ausverkauf beginnt
was für ein Feuerwerk an den Aktienmärkten! Während die Märkte in Asien in der Nacht noch unter Druck standen, legen heute die großen europäischen und amerikanischen Indizes um 2 bis 3% zu. Einen handfesten Grund für die Kursrally gab es nicht. Einige Analysten verweisen auf die sehr guten Konjunkturdaten aus Europa. Auf der anderen Seite hätten dann aber auch die durchwachsenen Daten aus den USA bremsen müssen.
Mein Erklärungsansatz: Heute hat das Gerücht die Runde gemacht, dass die Ergebnisse des Bankenstresstests nicht erst Freitag nach Börsenschluss veröffentlicht werden, sondern schon zu Handelsbeginn. Die erste Ankündigung, dass die Ergebnisse erst abends veröffentlicht werden, hat einige Investoren sehr nervös gemacht. Es wäre keine direkte Reaktion möglich gewesen. Käufe und Verkäufe hätten bis Montag warten müssen. Aus Angst vor negativen Überraschungen haben Investoren daher vorab verkauft, um nicht in die "Wochenend-Falle" zu laufen. Diese Angst-Verkäufe werden überflüssig, wenn die Ergebnisse vor Handelsschluss veröffentlicht werden. Das beflügelt den Markt.
BP-Aktie profitiert nicht vom hohen Verkaufserlös
Zu den wenigen Aktien, die heute nicht im Plus liegen, gehört der britische Öl-Multi BP. Dabei hätte die Aktie heute Rückenwind haben müssen. Gestern wurde veröffentlicht, dass BP Öl- und Gasanlagen in den USA, in Kanada und in Ägypten an den US-Konkurrenten Apache verkauft hat. Der Verkaufserlös in Höhe von 7 Mrd. USD hat die Analysten positiv überrascht. Daher war mit einem Kursanstieg der BP-Aktie gerechnet worden.
Da alle Marktteilnehmer wissen, dass BP dringend Geld braucht, um die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko finanziell zu überstehen, war mit "Notverkäufen" gerechnet worden. Die 7 Mrd. USD entsprechen jedoch dem vorher geschätzten Wert. BP ist also noch handlungsfähig und muss das Vermögen nicht "verschenken". Insgesamt will BP durch Verkäufe rund 10 Mrd. USD einnehmen. Allerdings schätzen Insider, dass BP auch bereit ist, Konzernteile für 20 Mrd. USD zu verkaufen, wenn die Preise hoch genug sind.
Zukunftsaussichten unsicher
Ein Belastungsfaktor für die BP-Aktie ist jedoch die unsichere Zukunft. Es ist schon auffällig und kommt - wie ich es hier im Schlussgong bereits frühzeitig angekündigt hatte - auch nicht ganz überraschend: Die US-Regierung setzt den britischen Konzern BP nach der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko extrem unter Druck und in der zweiten Phase können ausgerechnet US-Unternehmen die Filetstücke von BP günstig einsammeln. Ich bin sicher: Apache wird nicht die einzige amerikanische Öl-Gesellschaft bleiben, die bei BP zugreift. Es soll bereits Interessenten für BPs Öl-Aktivitäten in Alaska geben.
BP muss aber noch an einer anderen Front kämpfen. Noch ist unsicher, ob BP zukünftig neue Bohrlizenzen im Golf von Mexiko erhält. Diese Ölfelder sind die "Eingangstür" für den wichtigen US-Markt. Wird BP aus dem Golf von Mexiko verdrängt, könnte die gesamte USA-Strategie scheitern. Das belastet die BP-Aktie.
Rolle der US-Regierung bleibt umstritten
Angesichts der aktuellen Entwicklungen bleibt die Rolle der US-Regierung weiterhin umstritten: Sollen tatsächlich nur Umweltsünden bestraft werden, oder wird die Öl-Katastrophe instrumentalisiert, um einen ausländischen Konkurrenten zu schwächen?
Wenn am Ende der Geschichte US-Gesellschaften wie Apache, Exxon oder Chevron die Gewinner der Krise sind, würde die Glaubwürdigkeit der US-Regierung im Ausland deutlich leiden. Bei den heimischen Wählern könnte US-Präsident Obama dagegen eifrig Punkte sammeln und die persönliche Bilanz etwas aufbessern.