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US-Börsenhausse erweist sich als zusätzliches Konjunkturpaket

Die stärkste Rally an den amerikanischen Börsen seit den 1930er Jahren erweist sich für die Unternehmen als zusätzliches Konjunkturpaket. Im Finanzsektor profitieren Banken in ihrem Handelsgeschäft von steigenden Kursen. Versicherer können Verluste bei der Geldanlage eingrenzen und der breiten Wirtschaft hilft das verbesserte Marktumfeld, ihre Finanzen wieder auf eine solide Basis zu stellen.

Beispiel Continental Airlines Inc. Amerikas viertgrößte Fluggesellschaft erhöhte durch eine Emission junger Aktien ihr Kapital, nachdem sich der Börsenkurs fast verdoppelte . Der Konzern, der sieben Quartale in Folge Verluste ausgewiesen hat, kann damit seine Schulden reduzieren. Auch die Immobiliengesellschaft Jones Lang LaSalle Inc. gab neue Aktien aus. Ihr Börsenkurs ist seit dem Tief vom März 148 Prozent gestiegen.

Nach dem massiven Konjunkturpaket der USA hat das Börsenbarometer Standard & Poor’s 500 48 Prozent zugelegt, nachdem es am 9. März auf den tiefsten Stand seit 13 Jahren gesunken war. Die Regierung Obama brachte Konjunkturhilfen im Volumen von 787 Mrd. Dollar (560 Mrd. Euro) auf den Weg, die unter anderem Steuersenkungen und höhere Ausgaben für die Modernisierung der Infrastruktur umfassen. Die Ausgaben sollen helfen, 3,5 Millionen gefährdete Arbeitsplätze zu erhalten, beziehungsweise neue zu schaffen.

"Die Rally verbessert das Geschäftsklima", sagt Stratege Jim Paulson von Wells Capital Management in Minneapolis. Die Vermögensverwaltung betreut ein Anlagekapital von 375 Mrd. Dollar. Im Zuge der Kurserholung würden wieder Einstellungen geplant. Bereits verworfene Ausgabenpläne kämen wieder auf dem Tisch.

Beim Versicherungskonzern Prudential Financial Inc. hat die Börsenhausse das Anlageportfolio im Altersvorsorge-Geschäft stabilisiert. In der Zeit massiv sinkender Aktienkurse hatte Prudential mit Garantie-Renten Geld verloren. Der Börsenaufschwung half dem zweitgrößten US-Lebensversicherer im zweiten Quartal in den schwarzen Zahlen zu bleiben. Vorstandschef John Strangfeld konnte auf Hilfsgelder des Staates verzichten. 2008 hatte der Konzern einen Verlust von 1,1 Mrd. Dollar ausgewiesen.

Goldman Sachs Group Inc. hat im Aktienhandel im zweiten Quartal Rekorderlöse erwirtschaftet, da die Provisionserlöse ebenso anzogen wie die Erträge im Eigenhandel. Die Wall-Street- Bank kam auf einen Erlös von 3,18 Mrd. Dollar und lag damit um 59 Prozent über dem Wert des vorhergehenden Quartals. Bei der New Yorker Fondsgesellschaft BlackRock Inc. wuchs das betreute Anlagekapital gegenüber dem Vorquartal um sieben Prozent auf 1,37 Bill. Dollar.

"Jedes Unternehmen, das Vermögenswerte verwaltet, wird dramatisch profitieren, ebenso alle Arten von Finanzdienstleistern, deren Gebühren sich nach dem Anlagekapital richten", sagt Bob Baur, Chefvolkswirt bei Principal Global Investors in Des Moines, Iowa. "Ihre Gewinne steigen und fallen mit der Kursentwicklung an den Märkten."

Amerikas größter Chemiekonzern, Dow Chemical Co., konnte infolge der Markterholung vom Komplettverkauf der wichtigen Agrarchemie-Sparte absehen. Das Unternehmen war in der Lage am Kapitalmarkt Anleihen und junge Aktien unterzubringen. Damit konnten ein Mangel an liquiden Mittel ausgeglichen werden, der sich aus 15,7 Mrd. Dollar schweren Übernahme des Spezialchemie- Unternehmens Rohm & Haas Co. ergab.

Beteiligungsgesellschaften haben infolge der Aktienmarkt- Erholung wieder die Möglichkeit, Unternehmen aus ihren Portfolios an die Börse zu bringen und Geld einzunehmen. So holten KKR & Co. LP und Silver Lake Partners mit dem IPO der amerikanischen Avago Technologies Ltd. 648 Mill. Dollar in die Kasse. Nachdem es in den USA im ersten Quartal nur einen Börsengang gab, list deren Zahl inzwischen auf 14 gestiegen.

Ob die US-Börsen ihren Erholungskurs fortsetzen und das Geschäftsklima weiter aufhellen, ist nach Ansicht vieler Experten allerdings fraglich. "Eine Börsenrally dieses Umfangs in so kurzer Zeit gab es noch nie, wenn so wie jetzt nur wage Anzeichen einer Konjunkturerholung gegeben hat", sagt Volkswirt David Rosenberg von Gluskin Sheff & Associates Inc. in Toronto. Er warnt, dass die Kursanstiege zu schnell gekommen und überzogen seien. Es sei wahrscheinlich, dass die Rally ins Stocken kommt.

( Bloomberg )