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Deutsche Börse-News: "Übersehenes Potenzial" (Aus dem ETF Magazin)

Hinter den überteuerten Börsenstars von heute warten schon die Gewinner von morgen. Fünf Märkte mit hohem Rendite-Potenzial lassen sich per ETF einfach erschließen, schätzt das ETF Magazin.

2. Dezember 2025. MÜNCHEN (ETF Magazin). Dieser Börsen-Bulle lässt sich nicht aufhalten. Dow Jones, Dax, Nasdaq, Nikkei - praktisch alle großen Indizes notieren auf Rekordhoch. Viele Börsenprofis gehen davon aus, dass die Hausse anhält. Rund ein Drittel hat inzwischen Aktien übergewichtet. Die Cash-Quote der Großanleger beträgt im Schnitt nur noch niedrige 3,9 Prozent. Das zeigt die aktuelle Umfrage der Bank of America unter mehr als 200 internationalen Portfoliomanagern. Andererseits: 58 Prozent der Profianleger halten Aktien inzwischen für überbewertet, ein Rekordwert. In der Tat: Aktien waren selten so teuer wie in diesem Herbst.

"Mehr als 20 Prozent des MSCI-World-Index bestehen heute aus Unternehmen, die mehr als das Zehnfache ihres Umsatzes kosten - ähnlich wie während der Dotcom-Blase", berichtet Dan Taylor, CIO bei Man Numeric, und warnt: Historisch hätten solche extrem hoch bewerteten Aktien stets enttäuscht. Wir alle wissen: Auf die Dotcom-Blase vor 25 Jahren folgte eine lange und schmerzhafte Baisse.

Vorausschauende Anleger setzen deshalb jetzt auf mehr Balance im Portfolio. Sie streuen breiter, trennen sich von überteuerten Mega-Caps und investieren in günstigere Werte. "Noch gibt es keinen Grund zu verkaufen, doch das Eis wird dünner. Diversifikation könnte helfen!", sagt Stephan Kemper, Chief Investment Strategist bei BNP Paribas Wealth Management. Märkte und Branchen mit großem Aufholpotenzial gibt es reichlich. Auf den folgenden Seiten finden sich fünf besonders aussichtsreiche Kandidaten.

Ob KGV, Buchwert, Cashflow-Rendite oder anderes: Nach praktisch jedem denkbarem Kriterium ist vor allem der US-Aktienmarkt sehr teuer. Das ist auch für international breiter aufgestellte Anleger relevant. Im MSCI-World-Index kommen US-Aktien heute auf mehr als 70 Prozent Gewicht. Und die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt: Nach einem Unwetter an der Wall Street rumpelt es auch anderen Börsen.

Gefährliche Schieflage

Ebenfalls riskant: Der S&P-500-Index war noch nie so konzentriert wie heute. Die zehn größten Unternehmen in diesem wichtigen Börsenbarometer machten Ende Juli fast 40 Prozent seines Werts aus. Bei dieser Konstellation kann der US-amerikanische Leitindex besonders schnell abstürzen, wenn die wenigen Zugpferde straucheln. "Die Kombination aus sehr hohen Bewertungen und extrem überfüllten Trades erhöht die Anfälligkeit des Marktes für einen Abschwung", sagt Steve Sosnick, Chefstratege bei Interactive Brokers, und fragt: "Wenn alle auf die gleichen Titel setzen - woher sollen dann die Käufer kommen?"

Doch für alle, die sich frühzeitig in vernachlässigten Marktnischen positioniert haben, birgt sogar diese unschöne Konzentration Chancen. Denn: Die Magnificent Seven haben zusammen eine Marktkapitalisierung von mehr als 20 Billionen US-Dollar. Ziehen Anleger nur wenige Prozent aus den aktuellen Favoriten ab und investieren sie in weniger stark frequentierte Sektoren, kann es dort zu einem Kursfeuerwerk kommen. Schließlich sind die Größenunterschiede gewaltig. So erreichen zum Beispiel die rund 250 Biotech-Unternehmen im Nasdaq Biotechnology Index zusammen nur einen Börsenwert von 1,2 Billionen US-Dollar, nur 6 Prozent der Marktkapitalisierung der Glorreichen Sieben. Schon eine kaum wahrnehmbare Kapitalumschichtung würde deshalb wohl eine Rally bei den Biotech-Aktien auslösen.

Bei der Suche nach aussichtsreichen Turnaround-Kandidaten hilft die Orientierung an der 3-U-Regel. Peter E. Huber, Börsenveteran, Fondsmanager und ein Doyen des antizyklischen Investierens, hat die Regel definiert. Besonders lohnend sind danach Investments in Märkte, Branchen oder Einzelwerte, die drei Kriterien erfüllen: Sie müssen unbeliebt, unterbewertet und in den Depots untergewichtet sein.

Dies sei meist der Fall, wenn Krisen und niedrige Wachstumserwartungen zu einem längeren Kursrückgang geführt hätten. "Man muss nicht gute Aktien kaufen, sondern Aktien gut kaufen", weiß Huber. Besonders profitabel ist häufig der Einstieg, wenn niemand mehr an das Comeback der Verlierer glaubt. Solche Gelegenheit gibt es "aktuell zuhauf", versichert der Börsenveteran; beispielsweise in den Emerging Markets oder bei Branchen wie Chemie, Energie, Biotechnologie oder Automobil samt Zulieferern.

So befinde sich etwa die "Autoindustrie in einem perfekten Sturm". Das Verbrenner-Aus in Europa, neue Importzölle der USA, Absatzeinbrüche in China und andere Belastungsfaktoren setzen der ehemaligen deutschen Schlüsselindustrie massiv zu. Zusammen bildeten diese Störfaktoren "ein fast toxisches Gemisch in einem zähen Überlebenskampf". Aber: All dies sei längst bekannt und dürfte daher in den niedrigen Bewertungen weitgehend enthalten sein. Klaus Kaldemorgen, Starfondsmanager der Fondsgesellschaft DWS, sieht das ähnlich.

Seit vielen Jahren hat er deshalb kürzlich erstmals wieder Autoaktien für seinen Mischfonds Concept Kaldemorgen gekauft. "Jeder weiß es inzwischen", sagt Kaldemorgen, "die Autobranche liegt am Boden und dementsprechend günstig sind ihre Aktien zu haben." Angesichts der niedrigen Bewertung ergebe sich daraus ein ordentliches Kurspotenzial, denn schließlich arbeiteten die Autobauer schon daran, sich aus der Klemme zu befreien.

Kursraketen

Wie schnell es an einem ausgebombten Markt wieder aufwärts gehen kann, demonstrierte in den letzten Monaten die chinesische Börse. Mehr als 50 Prozent fielen die Kurse der China-Aktien, bis nach dreieinhalb Jahren im vergangenen Frühjahr endlich der Tiefpunkt erreicht war. Damals wurden viele chinesische Unternehmen mit weniger als dem Zehnfachen ihrer erwarteten Gewinne bewertet (s. ETF Magazin 4/2024 (PDF)). Noch immer kämpft Chinas Wirtschaft mit vielen Problemen. Doch der MSCI-China- Index steht heute schon wieder 75 Prozent höher.

US-Nebenwerte

Seit Jahren stehen die Small Caps im Schatten der großen Aktien. Doch wer die hohen Bewertungen (vor allem) am US-Aktienmarkt mit Sorge betrachtet, sollte jetzt dringend einen Blick auf US-amerikanische Nebenwerte werfen. Nach ihrer enttäuschenden Wertentwicklung sind die Small Caps inzwischen historisch günstig bewertet: Das Bewertungsverhältnis zu Large Caps ist von rund 1,2 im Jahr 2011 auf nur noch 0,6 Ende 2024 gefallen. Das ist der größte Abschlag seit Jahrzehnten. Dabei sind die Gewinnprognosen ausgesprochen gut. Analysten erwarten ein Gewinnwachstum von jeweils rund 40 Prozent in diesem und dem nächsten Jahr. Auch das Zinsumfeld spricht für kleinere Werte. Die US-Notenbank dürfte weiter herunterfahren. Das ist für Small Caps besonders positiv, da sie überdurchschnittlich stark von Fremdkapital abhängig sind. Ein zusätzlicher Treiber für die Nebenwerte dürfte das anhaltend starke Wachstum der US-Wirtschaft und die angestrebte Rückverlagerung der Produktion sein. Davon profitieren kleine Unternehmen, die oft auf den heimischen Markt fokussiert sind.

Wer mit einem ETF in US-Small Caps investieren will, kann unter fast 20 Produkten wählen. Die meisten bilden den Russell 2000 Index ab. Der Index enthält rund 2.000 kleinere und mittlere amerikanische Aktien. Einer der preiswertesten und liquidesten ETFs für diesen Index ist der Xtrackers Russell 2000 ETF. Eine Alternative ist der SPDR S&P 400 U.S. Mid Cap ETF, der in 400 mittelgroße US-Unternehmen investiert.

Value

An der Wall Street zählt nur Wachstum. Vor allem die schnell erfolgreichen Tech-Giganten trieben die Kurse nach oben. Doch jetzt könnten sich die Gewichte verschieben. Inzwischen ist die Bewertungslücke zwischen Growth und Value mehr als doppelt so groß wie im langfristigen Durchschnitt. Historisch war das häufig der Startpunkt für eine Value-Rally. Nach einer Underperformance von minus 25 Prozent gegenüber Growth, wie im ersten Quartal 2025, legte Value in den folgenden 18 Monaten im Schnitt um 20 Prozent zu, berechneten die Analysten des US-Asset-Managers ClearBridge. Value-Aktien sind jedoch nicht nur niedriger bewertet, sondern bieten oft auch höhere Dividendenrenditen. Die makroökonomischen Rahmenbedingungen sprechen ebenfalls für Value. Branchen wie Industrie, Energie, Rohstoffe und Infrastruktur profitieren von höheren Investitionen in Verteidigung, Energiewende oder Datenzentren.

Value-Chancen gibt es nicht nur in den USA, sondern oft auch in Europa und Japan. Der iShares MSCI World Value Factor ETF enthält rund 400 attraktiv bewertete Aktien aus dem MSCI-World-Index - und ist dabei weit weniger US-lastig als sein großer Bruder. Nur rund 40 Prozent der Werte im Value-ETF stammen aus den USA, etwa ein Drittel kommen dagegen aus Europa und knapp ein Viertel aus Japan. Gemessen an Gewinn, Umsatz, Cashflow und Buchwert sind die Aktien im Value-ETF-Portfolio nur halb so teuer wie die Titel des MSCI-World-Index.

?-l und Gas

Glänzende Kursgewinne bescherten die Aktien der ?-lkonzerne allen, die Ende 2020 mutig einstiegen. Doch seit rund zwei Jahren bleiben die Aktien aus dem ?-l- und Gas-Sektor hinter dem Gesamtmarkt zurück. An Trumps "Liberation Day" fielen sie dann auch noch in ein neues Luftloch, aus dem sie bislang nicht heraus gekommen sind. Experten sehen mehrere Gründe für die bescheidene Performance der Energieaktien. So verteuern sich durch die neuen Zölle wichtige Betriebsmittel, während sich parallel dazu am Rohölmarkt ein Überangebot aufzubauen scheint, was den ?-lpreis immer weiter nach unten drückt. Sinkende Einnahmen und höhere Kosten: Das ist ein sicheres Rezept für niedrigere Gewinne.

Aber: Diese Belastungsfaktoren dürften inzwischen in den Aktienkursen enthalten sein. Die meisten Anleger haben sich von der Branche verabschiedet. Die Titel im MSCI World Energy Index werden deshalb heute im Schnitt nur noch mit dem 15-fachen ihres Jahresgewinns bewertet. Das ist ein Abschlag von etwa 25 Prozent auf den Gesamtmarkt. Beim Kurs/Cashflow- und Kurs/Umsatz-Verhältnis liegen sie sogar um mehr als 50 Prozent unter dem Gesamtmarkt. Gleichzeitig halten die Konzerne an ihren traditionell hohen Ausschüttungen fest (4,3 Prozent Dividendenrendite). Der Xtrackers MSCI World Energy ETF enthält die 50 größten ?-l- und Gasproduzenten der Welt. Gut 60 Prozent des Volumens entfallen auf US-Gesellschaften. Erholt sich der ?-lpreis von seinem aktuellen Tief, sollte sich die Rentabilität der ?-lkonzerne schnell verbessern.

Autobranche

Die Krise der europäischen Autobauer erscheint endlos: Im wichtigen chinesischen Markt haben die europäischen Marken spürbar an Boden verloren. Im Geschäft mit den USA bremsen neue Einfuhrzölle. In Europa belastet die schwache Konjunktur das Geschäft, während gleichzeitig chinesische Autohersteller Marktanteile gewinnen. Der Wandel zur Elektromobilität bleibt eine enorme Herausforderung. Die Entwicklung neuer Modelle, die Umstellung von Produktionsprozessen und der Aufbau neuer Lieferketten verschlingen Milliarden. Entsprechend bescheiden entwickelten sich die Aktienkurse. Der Branchenindex STOXX Europe 600 Automobiles & Parts steht heute rund sieben Prozent niedriger als vor einem Jahr. Er enthält die Aktien der großen Autofirmen Europas sowie einiger großer Zulieferer.

Jetzt gibt es diese Titel zum Sonderpreis. Im Schnitt sind die zwölf Aktien im Index nur noch mit dem Zehnfachen des Gewinns bewertet, der für dieses Geschäftsjahr prognostiziert wird. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) beträgt 0,6. Der alle Branchen umfassende STOXX Europe 600 Index weist ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15 und ein KBV von 2 auf. Immer mehr Analysten raten schon zum Einstieg. Mittel- bis langfristig könnte sich das lohnen. Schließlich stemmen sich die angeschlagenen Autobauer mit Entlassungen, Sparprogrammen und teils erfolgreichen neuen Modellen gegen den Abwärtstrend. Und es gibt Lichtblicke: Bei Renault und Ferrari steigen schon wieder Umsatz und Gewinn.

Biotech

Das Umfeld für Biotech-Investoren bleibt anspruchsvoll, weiß Christian Koch. Als Chefanleger der Beteiligungsgesellschaft BB Biotech investiert der promovierte Bioinformatiker seit mehr als zehn Jahren in Biotech-Aktien. "Neben geopolitischen Spannungen und hohen Kapitalkosten verunsichern regulatorische Debatten rund um Medikamentenpreise in den USA", berichtet Koch. Die Folge: Die Bewertung kleiner und mittelgroßer Biotech-Unternehmen liegt aktuell auf historisch niedrigem Niveau. Viele Kleine handeln nahe oder sogar unter ihrem Nettocashbestand. Doch Branchenkenner Koch sieht positive Signale, wie Erfolge bei der Medikamenten-Entwicklung. Und: Bis 2030 laufen Patente im Wert von über 200 Milliarden Dollar aus. Das ist eine gewaltige Herausforderung für die Pharmakonzerne. Parallel dazu verschärft sich der Margendruck. Vor diesem Hintergrund setzen vor allem die großen Hersteller auf externes Wachstum durch die Übernahme aussichtsreicher Biotech-Gesellschaften. In den vergangenen Monaten sorgten bereits einige Milliardendeals für Aufmerksamkeit.

Wie unbeliebt die Biotech-Branche bei Anlegern ist, zeigt sich am überschaubaren ETF-Angebot. Nur fünf Biotech-ETFs sind an der deutschen Börse notiert. Zusammen kommen sie auf ein bescheidenes Volumen von rund 600 Millionen Euro. Der größte, preiswerteste und am stärksten gehandelte ETF dieser Gruppe ist der iShares Nasdaq US Biotechnology ETF. Er enthält rund 250 Biotech-Aktien, die an der US-Börse Nasdaq gehandelt werden

Von Uli Kühn, Juli 2025, © ETF Magazin

Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.

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(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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