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Lohrke: Peinlich und erbärmlich

Sehr geehrter Anleger,

immer dann, wenn man denkt, dass es eigentlich schlimmer nimmer geht, schaffen es die Regierenden dieses Landes einen doch immer wieder zu überraschen und vom Gegenteil zu überzeugen. Man mag es kaum glauben. Ein deutscher Wirtschaftsminister tritt mitten in der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit zurück. Ein einzigartiger und unrühmlicher Vorgang.

Dazu fällt einem erst einmal gar nichts dazu ein. So unglaublich ist das Geschehene. Er wird eigentlich nur noch durch das erbärmliche Theater um die Nichtannahme des Rücktritts durch Herrn Seehofer und Frau Merkel getoppt. Die Vorstellung, in diesem wichtigen Amt jemanden halten zu wollen, der nicht mehr will, zeigt die ganze Misere, in der wir uns derzeit im politischen Bereich befinden, auf eine erschreckende Weise.

Nun bin ich weit davon entfernt, Herrn Glos als Wirtschaftsminister halten zu wollen. Denn unabhängig davon, dass es in meinen Augen kaum je einen schlechteren Wirtschaftsminister gegeben hat, wollte er selbst das Amt selbst nie richtig und füllte es folglich auch nie nur ansatzweise aus. Als „Parteisoldat“ sah er sich, der die unangenehme Aufgabe - mangels personeller Alternativen - annahm. Dabei verhehlte er nicht, dass ihm das Verteidigungsministerium wesentlich lieber gewesen wäre.

Und so war das Amt des Bundeswirtschaftsministers, das in den vergangen Jahren und Jahrzehnten zu meinem großen Bedauern und zu Unrecht immer mehr und zu Lasten des Bundesfinanzministeriums an Bedeutung und Stellenwert abgenommen hat, quasi nicht- bzw. fehlbesetzt. Und das, obwohl uns gerade diese Krise zeigt, wie wichtig ein Wirtschaftsminister, der allerdings von Wirtschaft auch eine Ahnung haben sollte, wäre.

Denn just diese Krise zeigt uns die enorme Bedeutung, die Ordnungspolitik hat. Und wie sie nach und nach an Stellenwert verlor. So liegen viele Systeme, sei es das Rentensystem oder das Gesundheitssystem im Argen, weil einfachste wirtschaftliche Zusammenhänge nicht gewusst und angewendet werden. Es ist beinahe so, als ob wir, die wir die Soziale Marktwirtschaft erfunden haben, nicht mehr wissen, wie sie eigentlich zu handhaben ist. „Der Schuster hat mitunter die schlechtesten Schuhe“, hört man den Volksmund sagen. Wir wären froh – um im Bild zu bleiben – wenn wir überhaupt welche an hätten.

Denn obwohl Banken und deren Vertreter aus Gier und falschen Renditevorstellungen weltweit versagt haben, so ist es am Ende doch die Politik, die Rahmenbedingungen setzt und setzen muss. Und meines Erachtens die wirkliche Schuld am Desaster hat. Denn dass die Menschen so sind und handeln, wie sie sind, das werden wir nun einmal nicht ändern können. Daran sind schon ganze Gesellschaftsentwürfe gescheitert. Zuletzt 1989 mit dem Fall der Mauer. Was wir aber ändern können, sind die Anreize und Ziele und damit den Ordnungsrahmen.

Dabei spielt das Primat der Politik und ein starker Staat eine wichtige Rolle. Aber anders als man dies in der hiesigen politischen Landschaft und Diskussion vernimmt. Damit ist nicht Enteignung und der Staat als besserer Unternehmer sowie eine gigantische Verschuldung auf Kosten der jungen Generationen gemeint. Also der Ruf nach dem Staat, den angeblich jetzt auch sogar die sog. Neoliberalen fordern. Was übrigens so nicht der Fall ist.