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Mega-Reformen im Marktdesign: Verbund investiert Milliarden in den Ausbau nachhaltiger Energien

 

Verbund-CEO Michael Strugl und CFO Peter Kollmann, freuen sich über das Rekord-Konzernergebnis für 2022 von 1,7 Milliarden Euro. Auf die Gretchenfrage, ob dieser Gewinn, wie die Politik es sieht, auf günstige Zufälligkeiten auf dem Energiemarkt zurückzuführen sei, oder, wie das Top-Management des Verbund es sieht, der täglich harten Arbeit aller Verbund-Mitarbeiter zu verdanken ist, folgt „selbstverständlich letzteres!“

Was kostet die neue Gewinnabschöpfung?

Weniger eindeutig antwortet der Verbund-Vorstand auf eine andere Gretchenfrage: wie hoch die von der EU ihrem Mitglied Österreich aufoktroyierte rückwirkende Gewinnabschöpfung für das Jahr 2022 für sein Unternehmen ausfallen werde. „Wir müssen das in einer ansehnlichen Bandbreite ausdrücken“, sagt Kollmann: „Wir nehmen aufgrund der bisher vorliegenden Bestimmungen an, dass die Abschöpfung für 2022 zwischen 300 und 800 Millionen Euro liegen wird.“ Das ergibt unter dem Strich eine Differenz von einer halben Milliarde Euro; ein Betrag, der auch für einen Großkonzern wie den Verbund eine enorme Herausforderung für dessen Finanzmanagement bedeutet.

Unter diesem Eindruck klingt es mutig, dass sich die Verbund anstrebt, für 2022 eine ordentliche Dividende von 2,44 Euro pro Aktie sowie zusätzlich eine Sonderdividende von 1,16 Euro, zusammen 3,60 Euro an ihre Aktionäre auszuzahlen. Die Ausschüttungsquote, bezogen auf das Konzernergebnis beträgt 72,8 Prozent, bezogen auf das um Einmaleffekte bereinigte Konzernergebnis 71,3 Prozent. Die Ausschüttungsquote in Bezug auf die ordentliche Dividende, bezogen auf das um Einmaleffekte bereinigte Konzernergebnis 2022, beträgt somit 48,3 Prozent. In Summe kosten die normale Dividende plus Sonderdividende den Verbund 1,6 Milliarden Euro. Das ist ansehnlich und ein erfreulicher Rekord. Weniger angenehm ist, dass der Schuldenstand im letzten Jahr gestiegen ist.

Aber ist diese Großzügigkeit gerechtfertigt -- vor allem angesichts der Tatsache, dass viele Einzelheiten zur Berechnung der neuen Gewinnabschöpfung bisher noch nicht vorliegen? Österreichs Stromerzeuger warten seit Wochen vergeblich auf die entsprechende Durchführungsverordnung, für die das Finanzministerium inhaltlich zuständig ist. Beim Gesetzesbeschluss über die neue Gewinnabschöpfung konnte es der heimischen Politik gar nicht schnell genug gehen. Beim Durchführungsgesetz, das dessen konkrete Umsetzung festlegt, lässt sich die Politik aber unangemessen lang Zeit.

Der Verbund erhofft sich vom Finanzministerium, dass es bis Mitte 2023 die fehlende Verordnung nachliefert. An all dem ist zu erkennen, wie lässig die Politik mit wichtigen Entscheidungen betreffend die Existenz der heimischen Wirtschaft verfährt.

Maßnahmen zur Gewinnabschöpfung.

Zu diesem Punkt, der alle Stromerzeuger Österreichs interessiert, sagt der Verbund: Das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag bei Strom (EKBSG) in Österreich sieht vor, dass alle Stromerlöse mit 140 Euro pro Megawattstunde (MWh) gedeckelt werden; das gilt für die Stromerzeugung aus Wasserkraft ohne Pumpspeicherung, für Windkraft, Solarenergie (Fotovoltaik und Solarthermie) und aus Steinkohle.

Die Erlösobergrenze kann aufgrund von getätigten Investitionen von Stromunternehmen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz auf bis zu 176 Euro pro MWh steigen. Investitionen in die Netze sind jedoch nicht abziehbar (obwohl sie die Stromversorgung gezielt absichern). Bei der Gegenrechnung obiger Investitionen wird nur die Hälfte der Investitionen berücksichtigt.

Erlöse von Stromerzeugern, die über die erwähnten Grenzen hinausgehen, werden zu 90 Prozent mit Gewinnabschöpfung belastet. Auch monatliche Mehrerlöse zwischen 1.12.2022 und 31.12.2023 werden mit der Gewinnabschöpfung belastet. Der Referenzwert dafür ist der Erlös aus dem monatlichen Durchschnittspreis, der sich unter Berücksichtigung von Stromderivaten und Strombezugsverträgen ergibt.

Der Betrag der Gewinnabschöpfung ist laut Körperschaftsteuergesetz absetzbar.

Zukunftsszenarien für die Stromwirtschaft.

Die Chance, die neue Gewinnabschöpfung durch Investitionen in die Energie-Transformation zu verringern, macht es für alle Stromerzeuger interessant, mehr Geld in die Erschließung neuer Energiequellen sowie in die Speicherung von Energie zu stecken.

Das wird praktisch genützt. Der Verbund hat dementsprechend eine rekordverdächtige Aufstockung seiner Investitionen vor. In den nächsten drei Jahren sollen 4,5 Milliarden Euro in Kraftwerke, Energiespeicher und Netze fließen. Im nächsten Jahrzehnt sollen insgesamt 15 Milliarden Euro gezielt in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert werden. Ziel ist die Stärkung der Verbund-Position als integrierter Energieversorger auf seinem Heimmarkt Österreich. Hochaktuell ist z.B. die Errichtung der Pumpspeicherkraftwerke Limberg III bei Kaprun und des Kavernenkraftwerks Reißeck II+. Beide Projekte haben dank der kürzlichen Einigung über die lang umstritten gewesene 380-kV-Salzburg-Hochspannungsleitung energiewirtschaftlich im Stromaustausch mit dem westeuropäischen Strommarkt hohe Bedeutung. Daneben werden mehrere Flusskraftwerke des Verbund an der Donau durch Einbau modernerer Maschinen in ihrer Leistungskraft verstärkt.

Trotz des weiteren Ausbaus der heimischen Wasserkraft will sich der Verbund auch beim Ausbau der Wasserstoffwirtschaft stärker engagieren – eine Reaktion auf die Tatsache, dass sich die Fälle von Trockenheit an vielen europäischen Wasserläufen häufen. Der Verbund möchte seine Position als europäischer Wasserstoffplayer zeitgerecht festigen. Unter anderem soll in einem Netzentwicklungsplan 2022-2031 das bestehende Erdgasnetz für den künftigen Transport von Wasserstoff upgegradet werden.

Der Verbund möchte gleichzeitig sein Strom-Erzeugungspotenzial besser diversifizieren. Bis 2030 sollen Wind und Fotovoltaik auf bis zu 25 Prozent Anteil an der Stromerzeugung ausgebaut werden. CEO Strugl betont: „Wir sind derzeit viel zu stark vom Wasser abhängig. Zugleich müssen wir unsere Wasserkraftwerke auf die immer stärkeren Schwankungen innerhalb des europäischen Strommarktes besser einstellen.“ Für den Horizont 2030 sagt er voraus: „Im Sommerhalbjahr werden wir in Österreich sehr wahrscheinlich weiterhin Stromüberschüsse haben; im Winterhalbjahr werden wir jedoch importabhängig bleiben.

Deswegen treibt der Verbund seine Internationalisierung weiter voran. Im November 2021 ist er in den spanischen Strommarkt eingetreten und erzeugte dort Ende 2022 Wind- und Solarstrom mit einer Leistung von 300 Megawatt; das soll sich in Zukunft vervielfachen. Weiters ist der Verbund Ende 2022 in den italienischen Strommarkt eingestiegen und entwickelt dort Fotovoltaik-Projekte mit einer Peak-Leistung von 250 Megawatt. In Deutschland soll die Erzeugung von Windparkprojekten weiter vorangetrieben werden.

Lehren aus der Energiekrise.

Diese Aktivitäten sind Ergebnis einer Analyse der Verbund über die Schwächen, die das Krisenjahr 2022 offenbarte. CEO Strugl formuliert die Lehren so: „Wir müssen unsere Stromquellen breiter aufstellen und unser gesamtes Energiesystem aufgrund der gemachten Erfahrungen nachjustieren. Es war für die erlebte Krise nicht optimal vorbereitet; wir müssen es deshalb umgehend nachjustieren – Stichwort Redesign – und wir müssen es laufend durch die Simulation von Krisenfällen rigorosen Stresstests unterwerfen. Wir alle müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die immer wieder geforderte Versorgungssicherheit mit Energie nicht zum Nulltarif zu haben ist. Schließlich ist die Absicherung der landeseigenen Energieerzeugung die beste Maßnahme gegen einen Blackout.

Auf dezidierte Journalistenfragen stellte der Verbundchef fest: „Es gibt bei uns keine Absicht, ein weiteres Donaukraftwerk zu errichten. Wir wollen uns grundsätzlich nicht aus dem Endkundenmarkt zurückziehen; aber es kommt auf die künftigen Rahmenbedingungen auf dem Mark bzw. darauf an, ob für Stromerzeuger in Österreich ein wettbewerbsneutrales Level Playing Field manifestiert werden kann.

Auf die Frage, ob er die Empfehlung der E-Control an Stromletztverbraucher, sie mögen sich noch etwas Zeit lassen, die neu angebotenen neuen Bezugsverträge zu unterschreiben, unterstütze, verweigerte Strugl die Antwort. Er bestritt jedoch energisch dass es zwischen dem Verbund und anderen österreichischen Stromlieferanten bezüglich der neuen Angebote eine Absprache gegeben habe. „Solche Absprachen sind verboten, daher gibt es keine.“

Der Ausblick des Verbund für das laufende Jahr ist grundsätzlich positiv. Bei einer durchschnittlichen Strom-Eigenerzeugung aus Wasser, Windkraft und Fotovoltaik sowie aufgrund der voraussehbaren Chancen und Risiken auf den Energiemärkten erwartet er ein EBITDA zwischen 3,5 und 4,4 Milliarden Euro und ein Konzernergebnis zwischen 1,9 und 2,5 Milliarden Euro sowie eine Ausschüttungsquote zwischen 45 und 55 Prozent vom Konzernergebnis. Mit dem aktuellen Erzeugungskoeffizienten von 0,93 Prozent ist Optimismus für das laufende Jahr eingekehrt; 2022 hatte er im Durchschnitt bei 0,86 Prozent gelegen - und damit 14 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt.

 

Aus dem Börse Express PDF vom 17.03.2023 

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