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Haas: Fehlschlüsse?

Während die abgelaufene Handelswoche international vor allem durch die üblichen geopolitischen Themen geprägt war (China streitet sich mit Indien um ein paar Quadratkilometer unbewohntes Gebirge, nachdem im letzten Jahr der Zwist mit Japan um ein paar unbewohnte Inseln recht schnell im Sand verlaufen ist), geben am heimischen Markt nach wie vor die Unternehmen die Schlagzahl vor. Wie so oft gab es dabei Reaktionen, die man im freundlichsten Fall als Übertreibungen bezeichnen könnte, woran wir als Analysten nicht ganz unschuldig sind.

Das beste Beispiel hierfür dürfte wohl die Entwicklung der Wienerberger-Aktie nach den gestrigen Quartalsergebnissen sein. Trotz eines praktisch unveränderten Ausblicks brach die Aktie um über 10% ein und gab damit einen Großteil der Gewinne seit Jahresbeginn wieder auf. Um diese Reaktion nachvollziehen zu können, muss man die Geschichte allerdings einige Wochen vorher beginnen.

Einige Kollegen schreiben gerne im Vorfeld von Unternehmensergebnissen ihre „Previews“. Darin werden die wichtigsten Themen für das Quartal nochmals hervorgestrichen und die Erwartungen an die Firma dargelegt. Dafür sparen sie sich in vielen Fällen die ansonsten üblichen „Nachbearbeitungen“, die dann normalerweise in den 1-2 Tagen nach der Veröffentlichung der Zahlen rauskommen (und den Kurs oftmals noch ein Stück weiter in die Richtung des ursprünglichen Kursausschlages drücken).

Im Falle von Wienerberger schraubten die Analysten ihre Erwartungen in den letzten Wochen doch deutlich nach oben, denn immerhin brummt die Wirtschaft ja. Und gemäß dem Slogan „geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ sollte das zu einem höheren Konsumentenvertrauen, höheren Neubauten und somit zu einem guten Geschäft für Baufirmen führen. Ganz gut in diese „Story“ passt auch, dass die anderen Baumittelhersteller wie Saint Gobain, LafargeHolcim etc. in ihren aktuellen Berichten durchaus optimistischer in die Zukunft blicken, also die „Peers“ starke Vorgaben lieferten. Wenn mehr Zement, Dämmstoffe etc. verwendet werden, müssten doch eigentlich auch mehr Wienerberger-Ziegel verbaut werden, oder?

Leider nein, denn nicht alles, was als Peer-Gruppe bezeichnet wird ist wirklich homogen. Wie wir vor einigen Wochen dargelegt haben (Details sind in unserem jüngsten Sector Report zu finden!) boomen gerade vor allem zwei Bereiche: Infrastruktur und der innerstädtische, mehrgeschossige Wohnbau. Der Infrastrukturbereich findet sich bei Wienerberger teilweise wieder und hier profitierte die Firma vor allem von einer höheren Projekttätigkeit in Osteuropa. Der mehrgeschossige Wohnbau ist hingegen ein Bereich, wo die Firma zwar seit Jahren versucht Fortschritte zu erzielen, sich die Erfolge aber recht in Grenzen halten. Das liegt weniger an unzulänglichen Produkten, als an der Tatsache, dass bei Projekten dieser Art Geschwindigkeit und Einfachheit vor Nachhaltigkeit und Wohngefühl liegen.

Ganz anders sieht die Tatsache bei Ein- und Zweifamilienhäusern aus, oder würden sie sich freiwillig einen Betonbunker auf die grüne Wiese stellen? Hier ist klar der Hauptmarkt für Wienerberger. Dieser ist jedoch von einer ganz anderen Dynamik geprägt, die oftmals deutlich träger ist, als der Rest des Baumarktes. Natürlich profitiert auch dieser Bereich in einem Aufschwung. Der eigentliche Grund, sich ein Haus zu kaufen ist jedoch in vielen Fällen die individuelle Lebensplanung und nicht unbedingt die finanzielle Situation (auch wenn sich natürlich in einem Aufschwung mehr Menschen ein Haus leisten können). Dementsprechend reagiert der Ziegelmarkt deutlich langsamer auf eine wirtschaftliche Erholung.

Zwar läuft es auch bei Wienerberger solide, mit zweistelligen Wachstumsraten, wie bei einigen Vergleichsunternehmen, kann der Konzern im Moment allerdings nicht aufwarten. Eigentlich kein großes Novum, manche Investoren dürfte dies jedoch überrascht haben, wenn man sich die Reaktion auf die Ergebnisse ansieht. Vielleicht hat es einigen jedoch auch sauer aufgestoßen, dass die Firma den Fachkräftemangel in Deutschland als „Vorwand“ für eine leichte Abschwächung in diesem Land vorschob (wenngleich hier der Einfluss des deutschen Marktes beispielsweise im Vergleich zu Osteuropa wohl überschätzt wird).

Dabei wird leider übersehen, dass der Ausblick der Firma nach wie vor durchaus optimistisch ist und in einigen Regionen schon erste Anzeichen eines Anspringens erkennbar sind. Vielleicht fehlt hier aber auch die Geduld, auf diese Verbesserung zu warten, immerhin kann man in der Zwischenzeit ja gutes Geld mit anderen Aktien verdienen. Als Kleinanleger kann man sich diese „Schlaglöcher“, welche die großen Investoren hinterlassen, durchaus genauer ansehen. Vielleicht findet man ja das ein oder andere übersehene Schmuckstück…

Aktuelle Investmentstrategie 

Tendenziell betrachten wir das aktuelle Marktumfeld als weiterhin vorteilhaft für zyklische Assets und sind in unseren Produkten deshalb –wo möglich- auch dementsprechend ausgerichtet. Aktien gefallen uns bewertungstechnisch deutlich besser als Anleihen, wir glauben auch nicht an eine unmittelbar bevorstehende globale Rezession, haben jedoch nach der exzellenten Performance seit Jahresbeginn in den letzten Wochen an mancher Stelle Gewinne mitgenommen. Auf der Equity-Seite sind wir – verglichen mit dem MSCI World – in Europa übergewichtet, in Nordamerika vergleichsweise klar unterinvestiert. In Japan sind wir neutral positioniert, in Schwellenländern wie Indien und China selektiv investiert. Auf der Bond-Seite gefallen uns flexible „Total Return“-Produkte, die sich auf dynamische Art und Weise verschiedensten Marktgegebenheiten anpassen können, am besten. In klassischen Staatsanleihen von Industrienationen sind wir hingegen schon seit längerer Zeit deutlich untergewichtet, das Risk-/Returnprofil erscheint uns hier nur äußerst begrenzt attraktiv. Wenn wir in diesem Marktsegment investiert sein müssen, dann bevorzugen wir inflationsindexierte Bonds, diese erscheinen uns vor dem Szenario einer potentiell steigenden Inflation auf relativer Basis noch einigermaßen attraktiv.