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Cafe BE Zertifikate: Experten Öl bleibt heiß, Gold wird heißer

CAFE BE: Das Jahr 2016 ist mittlerweile rund vier Monate alt (Anm: Das Gespräch fand Ende April statt). Welche Basiswerte waren bei Anlegern besonders beliebt? Und konnten sich spezielle Produkt-Konstruktionen im neuen Jahr in Szene setzen?

CHRISTIAN-HENDRIK KNAPPE: Wir können dort fortsetzen, wo wir letztes Jahr aufgehört haben. Der DAX ist und bleibt das ‘Brot und Butter’-Underlying. Und zwar sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Und das gilt für den Trading- genauso wie für den Anlage-Bereich. In letzterem ist es zwar nicht ganz so extrem - denn da ist auch der Euro Stoxx 50 ganz weit vorne - aber grundsätzlich ist der DAX ‘das Ding’. Was allerdings noch sehr gut lief, ist das Thema Öl. Viele Anleger haben versucht den fallenden Ölpreis ganz unten zu greifen und dann nach oben mitzunehmen. Bei Öl gibt es aber eine Problematik. Wir reden hier von einem Futures-Markt - Stichwort Rollverluste bzw. Rollgewinne. Die Schwierigkeit: Wie mache ich den Anlegern das begreiflich. Nämlich, dass es nicht um ein ‘Cash-Investment’ geht, wie beim DAX, sondern Öl eben über Futures abgebildet wird und man diese entsprechend umschichten muss. Das führt zu Kosten.

CHRISTIAN GLASER: Gold ist zuletzt zwei, drei Jahre komplett aus der Mode gekommen. Seit Jahresanfang performt Gold aber wieder gut. Und das haben wir auch direkt bei der Anlegerschaft gesehen. Zum Teil war das auch bei Silber so. Öl und DAX waren auch im Vorjahr schon die vorherrschenden Themen. Aber Gold kam mit dem Jahreswechsel in den Fokus. Ein bisschen schwächer war die Entwicklung bei den Währungen. Euro/Dollar ist hierbei grundsätzlich das hauptgehandelte Paar. Doch da passiert wenig. Und dann merkt man schnell, dass die Währungen aus dem Fokus geraten. Dazu trägt auch die nicht mehr ganz so ‘eindeutige’ Notenbankpolitik bei. Hier war also ein ‘Shift’ von den Währungen hin zu den Edelmetallen zu registrieren.

PHILIPP ARNOLD: Damit ist eigentlich schon fast alles gesagt. Bei uns ist allerdings im Anlagebereich der Euro Stoxx 50 - weiterhin - äußerst beliebt. Ganz gut ging in diesem Jahr erneut - ebenfalls wie auch in den letzten Jahren - der Stoxx Global Select Dividend - also ein Dividendenaktienindex. Da kann man auf der Anlageseite auch einiges konstruieren. Ansonsten ist das Bild bei uns sehr ähnlich. Commodities haben einen so hohen Umsatzanteil wie schon lange nicht mehr. Das ist seit mehr als einem halben Jahr so. Was allerdings etwas überraschend war: Normalerweise gehen die Zeichnungsvolumina bei hohen Volatilitäten zurück. Das war heuer aber nicht so - wir hatten einen - trotz starker Rückgänge an den Aktienmärkten in dieser Zeit - starken Jänner und einen starken Februar. Da haben ein paar Anleger wohl erkannt, dass eine Korrektur bei diversen Produkten - etwa bei Bonus-Zertifikaten, Aktienanleihen oder Discount-Zertifikaten - schöne Konditionen ermöglicht und womöglich ein ganz guter Einstiegszeitpunkt gekommen ist.

ANOUCH WILHELMS: Der DAX ist bei uns naturgemäß - und das schon fast seit Jahrzehnten - der Basiswert Nummer 1. Es ist also ist keine große Überraschung, dass das auch am Anfang dieses Jahres der Fall war. Was jedoch besonders war: Die Aktienmärkte sind sehr schlecht gestartet. Und wenn man schlecht ins Jahr startet, dann schaut man ganz anders auf die Märkte, als wenn irgendwann im Laufe des Jahres eine Korrektur kommt. Das war also wenig verheißungsvoll. Wir haben aber gesehen, dass die Anleger - vor allem bei Discount-Zertifikaten - sehr aktiv eingestiegen sind. Das heißt: Dadurch dass die Märkte nervös waren - Einzelwerte waren zum Teil 30 Prozent unterhalb des Tops aus dem Jahr 2015 - konnte man als Anleger doppelt profitieren. Zum einen waren die Aktienkurse niedriger, zum anderen war die Volatilität höher - das macht den Discount wiederum größer. Hier waren also Einzelaktien aus dem DAX ganz weit vorne zu finden - die Daimler-Aktie war als Basiswert bei uns besonders beliebt.
Zweites großes Thema: Öl. Seit eineinhalb Jahren ist Öl bei uns der zweitbeliebteste Basiswert nach dem DAX. Dementsprechend sehen wir hier eine starke Nachfrage. Das ist eine klassische Turnaround-Story. „Was tief fällt, muss wieder steigen“. Und so setzen Anleger vorwiegend auf steigende Kurse. Entweder mit Partizipations-Zertifikaten oder gehebelt. Sei es nun mit Turbo-Zertifikaten oder vor allem mit Faktor-Zertifikaten. Und das hauptsächlich um auf einen steigenden Ölpreis zu setzen. Manche gehen nach einem Satz nach oben auch wieder Short. Aber das ist eher die Ausnahme.

Wie schaut es denn bei den Produkten aus? Bei Öl haben die Märkte ja eine sehr medienwirksame Geschichte geschrieben. Aber lassen sich Stories grundsätzlich wieder besser ‘verkaufen’?

CHRISTIAN-HENDRIK KNAPPE: Indexstrategie-Zertifikate waren tatsächlich ein Thema - wenn auch von den Umsätzen her kein übermäßig großes. Trotzdem: Wir haben zum einen den ‘boerse.de-Champions-Defensiv-Index’, der sehr gut läuft und uns positiv überrascht. Wir haben da mittlerweile knapp 180 Millionen Euro drinnen. Ein ähnliches Konzept - aber unterschiedliche Indizes - gilt für unser Trader-Fox Produkt. Das ist ähnlich konzipiert. Mit dem Trader-Fox-Team arbeiten wir schon seit Jahren erfolgreich zusammen. Dieses Team hat nun schon mehrere Indizes entworfen und rausgebracht. Da sind ebenfalls nennenswerte Umsätze drinnen.

CHRISTIAN GLASER: Ich glaube es gibt eine Rückbesinnung auf die Idee von Zertifikaten. Nämlich einen Marktzugang zu schaffen - und das zu geringen Kosten. Wir haben im letzten Jahr drei Produkte mit einer klaren Story dahinter begeben. Nämlich den Founder-Run-Index, den Home Automation-Index und den Senior-Care-Index. Ich denke, dass die Konzeption solcher Indizes ein gutes Instrument ist, um Kunden die Basiswertselektion abzunehmen. Viele Kunden würden wohl gar nicht das nötige Kapital aufbringen wollen. Man bedenke nur die Transaktionskosten, wenn man 30 Aktien kauft. Das ist mit einem Zertifikat aber natürlich schön gemacht. Der Vorteil unserer Industrie ist da die Flexibilität. Im Gegensatz zu den ETFs, die ja ein sehr ähnliches Konzept verfolgen - können wir auch Nischenthemen schön besetzen und Anlegern einen günstigen Marktzugang geben. Und selbstverständlich ist ein greifbares Thema günstig, wo sich Kunden ihre eigene Meinung dazu bilden können. Jemanden zu haben, der hier eine Selektion trifft und Unternehmen sucht, die am spannendsten sind - das tut unserer Industrie gut. Den Kunden an die Hand nehmen können und ihm eine Lösung anbieten - genau das erwarten Kunden auch.

PHILIPP ARNOLD: Ein ganz wichtiger Vorteil ist natürlich auch, dass man nicht an die Long-Only Strategie gebunden ist. Gerade bei so einem Strategie-Index. Man muss allerdings darauf achten, dass die Kombination aus Struktur und Index-Funktion nicht zu komplex wird. Unsere große Mission ist es Zertifikate in Österreich breiter zugänglich zu machen bzw. breiter zu vertreiben. Auch und gerade bei Beratern. Und da merken mir immer noch, dass die Kombination einfach sein muss. Wir sind gerade an einem Punkt angelangt, dass die Berater sagen: „Ein Bonus-Zertifikat verstehe ich. Das ist relativ klar und das gehört im gehobenen Privatkundengeschäft dazu.“ Und das geht nur step-by-step. Das war auch im Vorjahr und den Jahren davor so. Nämlich Vorteile von Zertifikaten herauszukehren und zu sagen: „Ein asymmetrisches Auszahlungsprofil ist möglich.“ Und etwas für jene Anleger zu machen, die zwischen Nullzinsen und einem Direktinvestment - etwa in Aktien - schwanken. Dieser Bereich ist sehr breit. Und genau in diesem Bereich spielen die Zertifikate ihre Vorteile aus.

ANOUCH WILHELMS: Einfach und plausibel. Diese beiden Eigenschaften sind immer wichtig für den Anleger. Zertifikate sind in der Regel ziemlich einfach - zumindest wenn wir über Index-Zertifikate sprechen. Bei Plausibel ist halt die ‘Geschichte’ die große Frage. Denn eines ist auch klar. Nur weil eine Idee plausibel ist, heißt das nicht zwingend, dass der Aktienkurs in der Zukunft höher ist als heute.
Wir haben eine Riesenpalette an Branchen-Zertifikaten, beispielsweise auf den Stoxx 600 - also ganz Europa. Und da gibt es auch zahlreiche Branchen in die man investieren kann. Momentan ist Basic Ressources bzw. Öl und Gas extrem gefragt. Da sieht man ganz klar, dass kundenseitig in die Branchenindizes investiert wird. Die sind einfach und transparent nachzuvollziehen. Die Idee dahinter ist die Branche zusammenzufassen und nicht auf den gesamten Aktienmarkt zu setzten. Und das ist etwas, das für jeden Anleger interessant ist um das Depot weiter zu diversifizieren.

CHRISTIAN GLASER: Der Diversifikationspunkt ist äußerst wichtig. Und das kann man mit Zertifikaten dank der geringen Spreads natürlich auch sehr kurzfristig spielen. Das ist der Unterscheid zu einem Fonds - etwa aus dem Öl- und Gasberich. Wenn sich ein Anleger statt auf einen Fonds zu setzen auf so einen Stoxx-Index beruft, über den wir gerade gesprochen haben, dann kann er auch mal auf Sicht von nur wenigen Wochen ein Turnaround-Story wunderbar abbilden.

Stichwort Turnaround-Story. Sind so starke negative Stories - etwa wie bei Öl oder Volkswagen - etwas Positives für die Branche? Im Zuge des Volkswagen-Skandals wurde von mehreren Emittenten bekannt gegeben, dass die VW-Aktie hinter dem DAX zum Top-Basiswert Nummer 2 aufgestiegen ist.

ANOUCH WILHELMS: Bei der Bezeichnung ‘Top-Basiswert’ muss vorsichtig sein. Denn was ist top? Das was wir neu verkaufen? Oder das, was wir auch zurückkaufen? Es kann ja durchaus sein, dass viele Anleger sich von ihrem VW-Investment trennen und deshalb die Umsätze steigen. Was wir uns daher immer anschauen ist, was wir wirklich neu absetzen. Und da sieht man ganz klar: Die Themen, die in den Medien präsent sind, die schlagen bei uns durch. Und das ist nicht nur der Ölpreis. Sondern auch die Automobilbranche. Oder auch die Versorger. Das ‘Schöne’ ist, dass man mit Zertifikaten nicht zwingend auf eine Erfolgsstory setzen muss, sondern man kann eben auch Marktsituationen ausnutzen. Aber es ist bei weitem nicht so, dass Anleger nur nach schlechten Stories und den dazugehören Investitionschancen suchen. Sondern man sieht ganz klar, dass die Anleger - zumindest die, die bei uns aktiv sind - die Märkte vollumfänglich beobachten und auch mal einen US-Wert aus der zweiten Reihe anschauen und zum Beispiel ein Discount-Zertifikate darauf kaufen. Da gibt es schon die Tendenz, dass man grundsätzlich an die Erfolgsstory glaubt.

CHRISTIAN GLASER: Man kann definitiv sagen, dass Stories dazu führen, dass das Interesse anspringt. Das war beispielsweise so, als Tesla das Model 3 vorgestellt hat. Gerade in der Berichtssaison ist das Interesse natürlich gegeben. Eine Aktie wie Facebook, Amazon oder Google ist ganz einfach sehr stark gefragt. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist es von den Handelszeiten optimal - denn die Leute können nach Feierabend immer superliquide handeln. Grundsätzlich ist die mediale Berichterstattung immer ‘Fluch und Segen’ zugleich. Segen ist sie immer dann, wenn es um sehr liquide Basiswerte geht. Wir haben aber in letzter Zeit etwa im Zusammenhang mit China verrückte Aktienmärkte gehabt. Da war der Fokus der Anleger sehr hoch. Da haben wir aber keine Überschneidung der Handelszeiten zwischen unserem Markt und dem chinesischen. Und ist es dann entsprechend schwierig dem Kunden zu vermitteln, dass das eine Story ist, die sich nicht gleich gut abbilden lässt wie beispielsweise der amerikanische oder europäische Markt.

CHRISTIAN-HENDRIK KNAPPE: Stichwort Automobilbranche. In der deutschen Presse kommt derzeit gerade ganz stark die Diskussion auf: Wo geht es hin? Vor allem rund um das Model 3 von Tesla. Wie stellen sich die Ausblicke für die deutschen Automobilhersteller dar? Das wird rauf und runter geschrieben und betrifft natürlich auch die Automobilzulieferer. Deutschland ist ein Autoland. Da hängen sehr viele Arbeitsplätze dran. Auch in Österreich arbeiten viele Menschen in diesem Sektor. Und dementsprechend ist das natürlich ein Riesenthema. Und jeder hat eine Meinung dazu. Wenn man sich heute ein neues Auto kauft, stellt man sich schon die Fragen, ob man noch einen ganz normalen Verbrenner kauft. Kaufe ich wirklich einen mit 400 PS und 6 Zylindern? Oder sehe ich mir einen Tesla an? Wenn man so einen Wagen mal gefahren ist und man merkt, was da alles dahintersteckt, dann relativieren sich auch die Kosten. Hier müssen Faktoren wie Werkstattkosten und Steuern berücksichtigt werden. Das wird in der oberflächlichen Diskussion gerne vergessen. Man darf auch nicht vergessen: Google und Apple sind auch an der Auto-Idee dran. Das sind natürlich Wege, die hier beschritten werden, die für die europäischen oder deutschen Autohersteller sehr gefährlich sein können. Aber sie können auch eine Chance sein.

Themenwechsel: Keine Produktgruppe leidet so unter den Niedrigzinsen wie die Garantie-Produkte. Ist den Anlegern ein Kapitalschutz von weniger als 100 Prozent mittlerweile vermittelbar?

PHILIPP ARNOLD: Vieles ist jetzt möglich. Vor ein paar Jahren haben wir noch geglaubt, dass es nicht möglich ist Produkte aufzulegen, die länger als fünf Jahre laufen. Jetzt ist man bei sieben oder acht Jahren angekommen. Man hat eine Zeit lang gesagt, es gibt nur 100 Prozent Kapitalgarantie oder eben keinen Kapitalschutz. Bei Anlegern und bei Beratern wird nach Alternativen gesucht. Und wir können im Zertifikate-Bereich sehr gut zeigen, welche Auswirkungen das hat, wenn man an gewissen Schrauben dreht. Wir haben unsere Produkte mit verschiedenen Kapitalschutzbereichen zuletzt immer gleichzeitig aufgelegt. Damit der Kunde wirklich nachsehen kann, was es bringt auf 2 Prozent oder auf 5 Prozent Verlustrisiko einzugehen? Es ist immer noch so, dass bei der Möglichkeit 100 Prozent, 98 Prozent oder 95 Prozent beim Kapitalschutz zu wählen, die meisten sich für den 100-prozentigen Schutz entscheiden - aber die Tendenz geht dahin, dass 98 und 95 Prozent stärker nachgefragt werden. Und das ist das Thema, das in Österreich sehr wichtig ist. Nämlich das Education-Thema. Und das man gewisse Themen immer wieder bringt und immer wieder erklärt. Und dann erkennen immer mehr Leute die Vorteile. Und auch warum beispielsweise die gleichzeitige Emission von drei unterschiedlichen Kapitalschutzlevels gemacht wird. Das läuft gut - deshalb machen wir es auch. Und wir haben es schon im Vorjahr gemacht. Und da haben wir es mit dem Thema Nachhaltigkeit kombiniert. Das ist glaube ich sinnvoll um den konservativeren Anleger Aktienluft schnuppern zu lassen. Früher hat man kurze Laufzeiten und einen kleinen Kupon gefordert. Jetzt sind wir bei längeren Laufzeiten, die zum Glück akzeptiert werden. Und dass es keinen Kupon bzw. einen sehr, sehr kleinen Kupon gibt, ist auch den meisten Anleger klar.

HEIKO GEIGER: Ich glaube, die Zeit war noch nie so gut wie jetzt für Zertifikate. Man hat es im letzten Jahr gesehen. Bis März wurden die Aktien hochgejubelt und Anleger wurden in die Märkte hineingetrieben. Wer dann aber beim Peak beim DAX bei über 12.000 zugekauft hat, der hatte am Ende des Jahres - bzw. jetzt immer noch - natürlich ein langes Gesicht und ist einmal mehr enttäuscht worden. Wenn man aber eine Aktienanleihe, ein Bonus-Zertifikat oder ein- Discount-Zertifikat gekauft hätte, dann sähe das Chance Risiko Profil im Vergleich zu einem ETF oder einem Aktieninvestment natürlich deutlich attraktiver aus. Sprich: Anleger kämen mit der Volatilität, die im Markt jetzt wieder da ist wesentlich besser zurecht, als wenn sie direkt die Aktie gekauft hätten. Und ich glaube, dass das ein Umfeld ist, das einmalig ist. Und diese Chance muss die Branche auch nutzen um weiter in die Breite zu gehen.

(mp)