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Wögerbauer: Negative Realverzinsung als neuer Dauerzustand

„Spiele werden von jenen Spielern ­gewonnen, die auf das Spielfeld achten – und nicht von jenen, deren Augen an der Anzeigentafel kleben.“ (Warren Buffett)“

Eines der Phänomene unserer Zeit ist die Tatsache, dass Themen medial oft hochintensiv transportiert werden und dann wieder verschwinden, obwohl es keine echte Änderung der Lage gibt. Vor knapp einem Jahr kam keine Nachrichtensendung und kein Wirtschaftsmedium ohne die tägliche Schlagzeile zu Griechenland aus. Ein Jahr später gibt es dazu nur noch Randnotizen. Obwohl die Lage unverändert prekär und meilenweit von einer Lösung und Entspannung entfernt ist. Umgekehrt werden oft Themen aufgegriffen, die lange bekannt sind. Persönlich wurde ich zuletzt von vielen Anlegern darauf angesprochen, dass mit den Zinserträgen aus dem Sparbereich nicht einmal mehr die ohnehin aktuell sehr geringe Inflation abgegolten wird. „Ja, das ist aber nun seit exakt sechs Jahren so und wird noch viele Jahre so bleiben.“ Meine Antwort löste wiederholt Verwunderung aus. Ist wirklich in der aktuellen Diskussion über die Rolle der Notenbanken der doch schon seit Jahren über allen Aktivitäten stehende Masterplan der Finanzpolitik untergegangen? Negative Realrenditen sind und bleiben Basisteil dieser übergeordneten Strategie.

Das EZB-Ziel: Zinsen runter – Inflation rauf. Seit dem ersten Halbjahr 2010 liegt die heimische Inflationsrate über dem Zinssatz für kurzfristige Geldanlagen. Beispielhaft dargestellt etwa mit dem 12-Monats-EURIBOR. Die EZB hat wiederholt ein Inflationsziel von „nahe 2%“ ausgesprochen und dies als Grundlage für ihre Aktivitäten bezeichnet. Dadurch wurden die Zinsen massiv gedrückt, das Inflationsziel ist aber unerreicht. Sollte sich die zuletzt gesehene Stabilisierung der Öl- und Rohstoffpreise verfestigen, so ist es durchaus möglich, dass man dem Inflationsziel näher kommt. Die Notenbanker würden dies als Erfolg des Anleihekaufprogramms darstellen. Tatsächlich wäre es aber ein externer Effekt, den die Notenbanker in beide Richtungen nicht im Griff haben. Eine leicht anziehende Inflation würde die eingangs beschriebene negative Realrendite weiter verstärken, da zumindest vorerst die Zinsen definitiv nicht mit höheren Inflationsraten nach oben gehen werden. Als Lernkurve der Entwicklung der letzten Jahre sollten wir alle mit Langfristprognosen vorsichtig sein. Dennoch: Zumindest in diesem Jahrzehnt werden wir keine Änderung dieser Situation sehen. Anleger sollten diese „Normalität“ als Basis jeder Geldanlageüberlegung vormerken.

Nullzinswelt kommt bei Unternehmensanleihen an… Unilever hat jüngst bekannt gegeben, Anleihen mit erheblichen Volumina zu emittieren. Unter anderem auch eine mit 4 Jahren Laufzeit und einem Kupon von 0 %. Damit kommt die Nullzinswelt auch im Bereich der Unternehmen an. Weitere Emissionen anderer Unternehmen werden folgen. Damit wird auf die Tatsache reagiert, dass die EZB in wenigen Wochen das Kaufprogramm für Unternehmensanleihen startet. Unilever kann sich somit als ein weltweit führender Hersteller von Konsumgütern noch günstiger refinanzieren als dies ohnehin schon der Fall war. Aber kann das der Sinn eines Anleihekaufprogramms sein, jene Unternehmen zu unterstützen, die ohnehin freien Zugang zu Kapital haben? Wir bleiben skeptisch.

…und die Bank of Japan kauft Aktien. Die Bank of Japan ist schon einen Schritt weiter. Es wird laufend in Indexfonds auf den Nikkei investiert. Nachdem man den Markt der japanischen Staatsanleihen bereits dominiert, nimmt auch die Rolle bei Unternehmen an Bedeutung zu. An einzelnen Unternehmen besitzt die Nationalbank zwischen 5% und 10%. Vom inländischen Volumen der Indexfonds auf den Nikkei liegen mittlerweile 55% bei der Bank of Japan. Dies ist beachtlich, auch wenn die Indexfonds nur einen kleineren Teil des Gesamtmarktes ausmachen. Ob es Sinn einer Nationalbank ist, wesentlicher Aktionär bei Unternehmen zu sein, ist sicherlich diskussionswürdig. Gibt es Regeln für die Stimmrechtsausübung? Vielmehr zu beschäftigen hat uns aber die Frage: Wie kann jemals eine Exit-Strategie aussehen? Und was würde dann diese Exit-Strategie für den Markt der japanischen Staatsanleihen und japanischen Aktien bedeuten? Fazit der Überlegung: Ein Exit ist kaum möglich - und wenn überhaupt in der Zeitachse sehr weit in der Zukunft.

Ölpreiserholung als Börsenstabilisator. Die Ölpreiserholung hat zuletzt auch die Aktienmärkte stabilisiert. Wir haben an dieser Stelle wiederholt der These, wonach ein tiefer Ölpreis eine gute Nachricht sei, widersprochen. Der Aktienmarkt hat eine klare Antwort gegeben. Bei Ölpreisen von über 40 Dollar je Barrel ist die Lage der Finanzmärkte wesentlich stabiler als bei Ölpreisen von unter 30 Dollar. Neben den klassischen Folgen für einzelne Länder unterschätzen viele Kommentatoren die Rolle von Staatsfonds aus Ölförderstaaten. Tiefe Ölpreise zwingen Staatsfonds zum Verkauf von Assets. Dies drückt aber dann die Kurse von DAX & Co. Der norwegische Staatsfonds etwa hat im ersten Quartal 2016 Vermögenswerte von 2,5 Milliarden Kronen reduziert – übrigens die erste Reduktion seit Jahrzehnten.

Die Antwort: Höhere Aktienquoten mit aktivem Management. Die Aktienmärkte insgesamt befinden sich derzeit im Seitwärtstrend – nicht mehr und nicht weniger. Für deutliche Rückgänge sind die Zinsen zu tief und die Anlagealternativen zu unattraktiv. Für deutliche Anstiege fehlt die globale wirtschaftliche Dynamik. Ein Fortschreiben dieses Trends auch über die Sommermonate hinaus ist nicht unwahrscheinlich.

Die Kurse von heute sind aber nur der symbolische Blick auf die Anzeigentafel und bringen in der langfristigen Anlagestrategie keinen Mehrwert. Also blicken wir auf das Spielfeld. Wir sehen Notenbanken, welche die Anleihezinsen auf null und darunter drücken. Wir sehen Notenbanken, die eine Sehnsucht nach mehr Inflation haben und dies auch klar aussprechen. Wir wissen, dass auch in den kommenden Jahren die Sparzinsen unter der Inflationsrate liegen werden. Geld parken kostet daher in jedem Fall an Kaufkraft. Und auch wenn die Börsen derzeit im Seitwärtstrend schwanken, auch wenn unmittelbar keine Treiber zu erwarten sind - strategisch bleibt die Aktie die logische Antwort auf das aktuelle Umfeld. Dividendenrenditen von 2%, 3% oder mehr – nachhaltig verdient – sind ein mächtiges Argument im Nullzinsumfeld.

Unsere Antwort ist daher unverändert. Höhere Aktienquoten – aber aktives Management der Titel und auch des Investitionsgrades. Buy-and-Hold ist nicht mehr zeitgemäß und kommt aus einem Umfeld wo wir noch nicht Zeitzeuge eines Experiments der Notenbanken waren, eines Experiments mit offenem Ausgang. <

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