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                Der keltische Tiger wählt, an den Märkten herrscht (noch) Ruhe
                Die Bauchlandung war dramatisch. Als Irland am 16. November 2010 als zweites europäisches Land unter den Rettungsschirm der Union schlüpfen musste, lag die Wirtschaft am Boden. Das BIP des „keltischen Tigers“, wie das Land in Anlehnung an die asiatischen Tigerstaaten der 80er Jahre (Südkorea, Taiwan, Singapur und die Sonderwirtschaftszone Hongkong) immer wieder bezeichnet wurde, rutschte immer weiter ab. 2009 verzeichnete Irlands BIP, das zwischen 1995 und 2007 durchschnittlich um rund sechs Prozent pro Jahr gewachsen war einen Rückgang von mehr als fünf Prozent. „Der keltische Tiger ist tot“, titelte die deutsche ZEIT wenige Tage nach dem Antrag für das Rettungspaket. Und fügte nicht ganz ohne Häme hinzu: „Jahrelang wurde Irland für sein Wachstumsmodell gefeiert. Jetzt ist die Blase geplatzt, das Kasino wird geschlossen. Das Land muss sich neu erfinden.“ 
Eine Aufforderung, der die Iren in den folgenden Jahren mit Feuereifer nachgekommen sind. Heute - etwas mehr als fünf Jahre später - ist der „keltische Tiger“ lebendiger denn je und steht in puncto Wachstum innerhalb Europas wieder ganz oben. Laut der erst kürzlich veröffentlichten Winterprognose der Europäischen Kommission wuchs die irische Wirtschaft 2015 um 6,9 Prozent, der Schnitt des Euro-Raumes kam auf ein Wachstum von 1,6% (siehe dazu auch Tabelle 3). Zwar wird sich diese Dynamik etwas einbremsen, doch folgt man der Prognose für 2016 wird Irland mit einem BIP-Wachstum von 4,5% auch in diesem Jahr ganz oben auf der europäischen Wachstumspyramide zu finden sein. Gleichzeitig sollte die Arbeitslosigkeit, die 2011/12 auf 14,7% geschnellt (siehe Tabelle 2,2) war, bis 2017 wieder auf 7,8% sinken. Auch was die Staatsverschuldung betrifft ist Irland zügig vorangekommen. Lag die Schuldenquote im Hoch (2012) noch bei 120,2% des BIP, so meldete das irische Statistikamt im Jänner, dass die Staatsverschuldung mit Ende des dritten Quartals erstmals seit fünf Jahren unter die 100% gesunken ist. Demnach ging die Staatsverschuldung auf 204,2 Milliarden Euro zurück, was 99,4 Prozent des BIP entspricht. In absoluten Zahlen war die Staatsverschuldung zwar 2014 noch etwas geringer, aber das BIP-Wachstum ließ auch die Schuldenquote zurückgehen.
In Europa wird Irland gerne als Musterland einer geglückten Sanierung herumgereicht und tatsächlich ist das Land wie ein Phönix aus jener Asche emporgestiegen, die der Flächenbrand im irischen Bankensystem hinterlassen hat. Irlands Banken waren in Folge der weltweiten Finanzkrise reihenweise in sich zusammengebrochen wie Kartenhäuser. Die Summe der ausstehenden Kredite, Derivate und Hypothekendarlehen der kaum regulierten irischen Banken soll das Bruttoinlandsprodukt beinahe um das Vierfache überstiegen haben. Der Immobilienboom und die Abhängigkeit von ausländischen Direktinvestitionen, die Irland solange angetrieben hatten, waren zur Achillesferse geworden. Bis Mitte 2010 hatte die staatliche National Asset Management Agency (NAMA), die irische Variante einer Bad Bank, von den fünf damals teilnehmenden Banken Verbindlichkeiten in der Höhe von 81 Milliarden Euro übernommen. Einige Banken erhielten staatliche Garantien, andere mussten im Gegenzug für Kapitalhilfen Aktien abtreten und die Anglo Irish Bank wurde gar - ähnlich der Hypo Alpe Adria - komplett verstaatlicht und ab 2011 abgewickelt. Die Einlagen wurden an die Allied Irish Bank (AIB), eine gleichfalls verstaatlichte Bank, übertragen. Diese AIB soll nun im Herbst dieses Jahres - abhängig vom Marktumfeld - zu 25% reprivatisiert werden, bis 2020 sollen 50% der Anteile verkauft werden. So die Pläne der derzeitigen Regierungskoalition unter Premier Enda Kenny, falls sie im Amt bleibt. Darüber, ob die Koalition aus Fine Gael und Labour im Amt bleibt, stimmen die Iren heute ab. Die Chancen stehen, letzten Umfragen zufolge, allerdings nicht besonders gut. Laut Bloomberg soll Fine Gael derzeit auf 30% der Stimmen (2011: 36%) kommen. Dramatischer könnte allerdings der Absturz der Labour Party sein, der derzeit nur 7% der Stimmen vorausgesagt werden, 2011 waren es noch 19%. Bewahrheiten sich die Umfragen, so könnte es in Irland zu einer ähnlichen Patt-Situation kommen wie in Spanien, wo nach den Wahlen am 20. Dezember weiter um eine Regierung gerungen wird.
Tatsächlich warnen Ökonomen von verschiedenen Banken und Finanzinstituten bereits seit einiger Zeit vor den Auswirkungen eines möglichen Regierungssturzes. Gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg etwa meinte Dermot O’Leary, Ökonom von Goodbody Stockbrokers in Dublin kürzlich: „Die Abstimmung ist der wichtigste potenzielle Krisenherd des Jahres“, und Alan McQuaid, Ökonom von Merrion Capital in Dublin assistierte: „Irlands Strategie war in den letzten Jahren, an der Haushaltsfront weniger zu versprechen und mehr zu liefern. Das Letzte, was das Land jetzt braucht, ist politisches Missmanagement im großen Maßstab - das könnte die ganze harte Arbeit aufs Spiel setzen.“
Nervosität pur, sollte man - angesichts solcher Äußerungen - meinen. Allein, an den Märkten hat sich diese Nervosität (noch) nicht niedergeschlagen. Der Leitindex der irischen Börse, der seit Ende 2010 um mehr als 113% Prozent gestiegen ist (DAX: rd 35% plus, ATX: -27%) hat YTD ein Minus von etwas über zehn Prozent zu verkraften. Zum Vergleich der ATX hat mehr als 11, der DAX gar mehr als 13% verloren. Die Renditen zehnjähriger irischer Staatsanleihen wiederum notieren aktuell bei einem Sechs-Monats-Tief von 0,896%, Großbritanniens Anleihen liegen im Vergleich dazu bei 1,361%. Eine Rendite von unter ein Prozent, das hätte sich zu Ausbruch der Krise wohl kaum ein irischer Politiker vorstellen können. Im Hoch (Juli 2011) rentierten irische Zehnjährige bei fast 14 Prozent. Und das ist nicht einmal fünf Jahre her.
Aus dem be INVESTOR vom 26.02.2016. Dort mit umfangreichen Tabellen zur Entwicklung der Wirtschaftsleistung, der Arbeitslosigkeit, der Exporte und Importe, des Defizits und der Staatsverschuldung Irlands im Vergleich der letzten zehn Jahre, Dazu gibt es die entsprechenden Kennzahlen Österreichs und der EU. Außerdem finden sie alle Kennzahlen der aktuellen Winterprognose der EU-Kommission für die EU-Länder (BIP, Inflation, Arbeitslosigkeit, Zahlungsbilanz und Defizit) in diesem Schwerpunktartikel.
Dazu gibt es einen Artikel mit einem umfangreichen Aktien-Check der in Dublin notierten Unternehmen
Den be INVESTOR gibt es nur im Abo. Einen Überblick über die bisherigen Ausgaben, sowie eine Möglichkeit zur Bestellung des Abos finden Sie hier: http://bit.ly/1fAzgCp .
                
            
        Eine Aufforderung, der die Iren in den folgenden Jahren mit Feuereifer nachgekommen sind. Heute - etwas mehr als fünf Jahre später - ist der „keltische Tiger“ lebendiger denn je und steht in puncto Wachstum innerhalb Europas wieder ganz oben. Laut der erst kürzlich veröffentlichten Winterprognose der Europäischen Kommission wuchs die irische Wirtschaft 2015 um 6,9 Prozent, der Schnitt des Euro-Raumes kam auf ein Wachstum von 1,6% (siehe dazu auch Tabelle 3). Zwar wird sich diese Dynamik etwas einbremsen, doch folgt man der Prognose für 2016 wird Irland mit einem BIP-Wachstum von 4,5% auch in diesem Jahr ganz oben auf der europäischen Wachstumspyramide zu finden sein. Gleichzeitig sollte die Arbeitslosigkeit, die 2011/12 auf 14,7% geschnellt (siehe Tabelle 2,2) war, bis 2017 wieder auf 7,8% sinken. Auch was die Staatsverschuldung betrifft ist Irland zügig vorangekommen. Lag die Schuldenquote im Hoch (2012) noch bei 120,2% des BIP, so meldete das irische Statistikamt im Jänner, dass die Staatsverschuldung mit Ende des dritten Quartals erstmals seit fünf Jahren unter die 100% gesunken ist. Demnach ging die Staatsverschuldung auf 204,2 Milliarden Euro zurück, was 99,4 Prozent des BIP entspricht. In absoluten Zahlen war die Staatsverschuldung zwar 2014 noch etwas geringer, aber das BIP-Wachstum ließ auch die Schuldenquote zurückgehen.
In Europa wird Irland gerne als Musterland einer geglückten Sanierung herumgereicht und tatsächlich ist das Land wie ein Phönix aus jener Asche emporgestiegen, die der Flächenbrand im irischen Bankensystem hinterlassen hat. Irlands Banken waren in Folge der weltweiten Finanzkrise reihenweise in sich zusammengebrochen wie Kartenhäuser. Die Summe der ausstehenden Kredite, Derivate und Hypothekendarlehen der kaum regulierten irischen Banken soll das Bruttoinlandsprodukt beinahe um das Vierfache überstiegen haben. Der Immobilienboom und die Abhängigkeit von ausländischen Direktinvestitionen, die Irland solange angetrieben hatten, waren zur Achillesferse geworden. Bis Mitte 2010 hatte die staatliche National Asset Management Agency (NAMA), die irische Variante einer Bad Bank, von den fünf damals teilnehmenden Banken Verbindlichkeiten in der Höhe von 81 Milliarden Euro übernommen. Einige Banken erhielten staatliche Garantien, andere mussten im Gegenzug für Kapitalhilfen Aktien abtreten und die Anglo Irish Bank wurde gar - ähnlich der Hypo Alpe Adria - komplett verstaatlicht und ab 2011 abgewickelt. Die Einlagen wurden an die Allied Irish Bank (AIB), eine gleichfalls verstaatlichte Bank, übertragen. Diese AIB soll nun im Herbst dieses Jahres - abhängig vom Marktumfeld - zu 25% reprivatisiert werden, bis 2020 sollen 50% der Anteile verkauft werden. So die Pläne der derzeitigen Regierungskoalition unter Premier Enda Kenny, falls sie im Amt bleibt. Darüber, ob die Koalition aus Fine Gael und Labour im Amt bleibt, stimmen die Iren heute ab. Die Chancen stehen, letzten Umfragen zufolge, allerdings nicht besonders gut. Laut Bloomberg soll Fine Gael derzeit auf 30% der Stimmen (2011: 36%) kommen. Dramatischer könnte allerdings der Absturz der Labour Party sein, der derzeit nur 7% der Stimmen vorausgesagt werden, 2011 waren es noch 19%. Bewahrheiten sich die Umfragen, so könnte es in Irland zu einer ähnlichen Patt-Situation kommen wie in Spanien, wo nach den Wahlen am 20. Dezember weiter um eine Regierung gerungen wird.
Tatsächlich warnen Ökonomen von verschiedenen Banken und Finanzinstituten bereits seit einiger Zeit vor den Auswirkungen eines möglichen Regierungssturzes. Gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg etwa meinte Dermot O’Leary, Ökonom von Goodbody Stockbrokers in Dublin kürzlich: „Die Abstimmung ist der wichtigste potenzielle Krisenherd des Jahres“, und Alan McQuaid, Ökonom von Merrion Capital in Dublin assistierte: „Irlands Strategie war in den letzten Jahren, an der Haushaltsfront weniger zu versprechen und mehr zu liefern. Das Letzte, was das Land jetzt braucht, ist politisches Missmanagement im großen Maßstab - das könnte die ganze harte Arbeit aufs Spiel setzen.“
Nervosität pur, sollte man - angesichts solcher Äußerungen - meinen. Allein, an den Märkten hat sich diese Nervosität (noch) nicht niedergeschlagen. Der Leitindex der irischen Börse, der seit Ende 2010 um mehr als 113% Prozent gestiegen ist (DAX: rd 35% plus, ATX: -27%) hat YTD ein Minus von etwas über zehn Prozent zu verkraften. Zum Vergleich der ATX hat mehr als 11, der DAX gar mehr als 13% verloren. Die Renditen zehnjähriger irischer Staatsanleihen wiederum notieren aktuell bei einem Sechs-Monats-Tief von 0,896%, Großbritanniens Anleihen liegen im Vergleich dazu bei 1,361%. Eine Rendite von unter ein Prozent, das hätte sich zu Ausbruch der Krise wohl kaum ein irischer Politiker vorstellen können. Im Hoch (Juli 2011) rentierten irische Zehnjährige bei fast 14 Prozent. Und das ist nicht einmal fünf Jahre her.
Aus dem be INVESTOR vom 26.02.2016. Dort mit umfangreichen Tabellen zur Entwicklung der Wirtschaftsleistung, der Arbeitslosigkeit, der Exporte und Importe, des Defizits und der Staatsverschuldung Irlands im Vergleich der letzten zehn Jahre, Dazu gibt es die entsprechenden Kennzahlen Österreichs und der EU. Außerdem finden sie alle Kennzahlen der aktuellen Winterprognose der EU-Kommission für die EU-Länder (BIP, Inflation, Arbeitslosigkeit, Zahlungsbilanz und Defizit) in diesem Schwerpunktartikel.
Dazu gibt es einen Artikel mit einem umfangreichen Aktien-Check der in Dublin notierten Unternehmen
Den be INVESTOR gibt es nur im Abo. Einen Überblick über die bisherigen Ausgaben, sowie eine Möglichkeit zur Bestellung des Abos finden Sie hier: http://bit.ly/1fAzgCp .