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Haas: Richtungswechsel?

Geht ja doch! Die abgelaufene Woche war wieder einmal ein Beweis dafür, wie schnell die Stimmung an den Märkten drehen kann: Letzte Woche ging noch das Gespenst einer globalen Rezession um, sämtliche europäischen Banken wurden als Sanierungsfälle behandelt. Eine Woche später fragen sich die Investoren, ob wir das Schlimmste nicht bereits hinter uns haben und kaufen dieselben Aktien - die sie kurz davor noch verschmäht haben - höher und höher (der DAX sowie der heimische ATX konnten im Wochenverlauf um über 4% zulegen!). Doch was war passiert? Gehen wir die Problembereiche der letzten Wochen durch.

Thema Nummer eins waren die Banken. Hier halfen diese Woche Meldungen der Deutschen Bank, wonach die Firma die Marktturbulenzen der letzten Wochen nutzen wolle, um gerade die Anleihen, wegen denen die Bank an der Börse ins Wanken geriet, in großem Stil zurückzukaufen. Eine interessante Strategie, die die Investoren, welche auf weiter fallende Kurse setzten, zur Flucht veranlasste. Zusätzlich gab die französische Großbank Credit Agricole Maßnahmen zur Vereinfachung der Kapitalstruktur bekannt, ein Beispiel dem möglicherweise auch eine heimische Bank, ebenfalls mit Wurzeln im ländlichen Sektor, irgendwann folgen könnte…

Thema Nummer zwei waren die Notenbanken. EZB-Chef Draghi war im Wochenverlauf mehrmals in den Nachrichten: Immer wieder betonte er, dass der Ausblick sich seit der letzten Sitzung verschlechtert hatte, die EZB würde jedoch weiterhin Gewehr bei Fuß stehen, um die Aktienmärkte – äh – die Inflationserwartungen natürlich – zu stützen. Gleichzeitig gab es auch von Seiten der Fed Einsicht, dass in der US-Wirtschaft derzeit nicht gerade Milch und Honig fließen. Hier muss man jedoch auch etwas Vorsicht walten lassen: Die Fed ist aktuell sehr gespalten, was die weitere Geldpolitik angeht, weswegen es gefährlich scheint, den Aussagen eines Gouverneurs zu viel Gewicht zuzusprechen, auch wenn er in der Vergangenheit doch eher durch eine restriktive Haltung aufgefallen war.

Thema Nummer drei war der Rohstoffkomplex sowie China. Auch hier gab es diese Woche wichtige Neuigkeiten: Russland, Saudi-Arabien, Qatar und Venezuela wollen die Fördermenge für Öl auf dem Niveau von Jänner einfrieren. Was auf den ersten Blick wie eine mögliche Lösung für den Preisverfall aussieht, entpuppt sich jedoch eher als kosmetischer Eingriff. Aufgrund der bereits sehr hohen Förderquoten rechnete nämlich kaum ein Analyst mit einer weiteren Outputsteigerung dieser Länder (einzig Saudi-Arabien war hier ein gewisses Fragezeichen). Darüber hinaus sind die zwei Staaten, die in diesem Jahr wohl ihre Förderung am meisten in die Höhe schrauben sollten (Iran und Irak) nicht Teil dieses Abkommens und die Aussagen der beiden Länder im Anschluss an die Bekanntgabe des „Outputfreeze“ waren mehr als widersprüchlich. Dementsprechend bremste sich der Zugewinn beim Öl nach einer anfänglichen Euphorie wieder ein.

Thema Nummer vier war das Ausbleiben von Akquisitionen sowie der Mangel an neuen Börsegängen, die beide als Zeichen für fehlendes Vertrauen in die Märkte interpretiert wurden. Hier machten wieder einmal vor allem die US-Unternehmen Schlagzeilen: Im Technologiesektor wurden zwei mittelständische amerikanische Firmen von asiatischen Mitbewerbern geschluckt. Und auch bei den Börsegängen gab es positive Nachrichten: Gleich mehrere US-Energiefirmen, die durch den Ölpreisverfall in Mitleidenschaft gezogen wurden, holten sich über die Börse frisches Geld, die entsprechenden Sekundärmarktemissionen waren schnell vergriffen (vor allem da es sich um Unternehmen mit vergleichsweise guten Marktpositionen gehandelt hat; vielen anderen Unternehmen würde diese Möglichkeit aufgrund des geringen Investoreninteresses wohl kaum offen stehen).

So weit so gut, doch die große Frage ist: Wie geht es weiter? Thema Nummer eins auf unserer Checkliste, die Banken, scheint sich deutlich verbessert zu haben: Auch wenn die langfristigen Probleme wie niedrige Zinsen, hohe regulatorische Anforderungen und rechtliche Probleme noch immer vorhanden sind, dürften die größten Ängste um das System an sich doch vorerst wieder verflogen sein. Vielleicht nicht der beste Sektor zum Investieren, aber zumindest nichts, was den Rest der Firmen mit in den Abgrund ziehen sollte. Thema Nummer zwei bekommt auch zumindest ein halbes Häkchen drunter: Auf die EZB dürfte nach wie vor Verlass sein, während die Situation in den USA noch immer etwas diffus erscheint. Thema Nummer drei, die Rohstoffe und China, sieht zwar deutlich besser aus, hier könnte sich die Hoffnung jedoch als etwas voreilig erweisen. Dieses Problem wird uns wohl weiterhin begleiten und für zusätzliche Volatilität sorgen. Thema Nummer vier ist sicherlich sehr stark vom Marktsentiment getrieben und dementsprechend zwar „nice to have“, aber kein wirkliches Fundament, auf dem man aufbauen kann.

Insgesamt also viele positive Entwicklungen und eine entsprechend ambitionierte Gegenreaktion an den Börsen. Viele Themen scheinen jedoch weiterhin in Schwebe zu sein, sodass die Volatilität unser ständiger Begleiter bleiben dürfte. Anstiege wie dieser sind jedoch ideal um das eigene Portfolio zu durchforsten: Gibt es Firmen, deren Ausblick sich in der letzten Zeit als doch nicht ganz so rosig wie erhofft herausgestellt hat und die man nun zu besseren Preisen auf den Markt werfen kann? Welche Unternehmen dürften trotz eingetrübter Konjunkturaussichten aufgrund von Spezialsituationen und starken Trends profitieren? Aktives Herangehen und geistige Flexibilität werden wohl auch in den nächsten Wochen wichtige Eigenschaften bleiben, um den Sturm gut zu überstehen.

Aktuelle Investmentstrategie. Wir lassen uns von der heftigen Marktkorrektur seit Jahresbeginn nicht erschüttern; da wir nicht von einer globalen Rezession ausgehen, erachten wir die negative Kursentwicklung an den internationalen Aktienmärkten als übertrieben. Nach wie vor gefallen uns aus bewertungstechnischen Gründen Aktien prinzipiell besser als Anleihen, das aktuelle Kursniveau erscheint uns vergleichsweise attraktiv. Auf der Aktienseite sind wir – verglichen mit dem MSCI World – in Europa deutlich übergewichtet, in Nordamerika vergleichsweise weniger stark investiert. Japan erscheint uns nach wie vor spannend, in den Schwellenländern sind wir nur sehr selektiv investiert. Anleihenseitig gefallen uns am ehesten noch flexible „Total Return“-Produkte, die sich auf dynamische Art und Weise verschiedensten Marktgegebenheiten anpassen können, sowie Wandelanleihen, die auch von einem positiven Aktienumfeld profitieren können. In klassischen Staatsanleihen von Industrienationen sind wir hingegen deutlich untergewichtet, das Risk-/Returnprofil erscheint uns hier weiterhin nur bedingt attraktiv.