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Der Appetit auf Übernahmen wächst - auch in Österreich

Der M&A-Markt ist weiter im Aufwind: 59 Prozent der Unternehmen weltweit wollen in den kommenden zwölf Monaten zukaufen – das ist der höchste Wert seit Beginn der Befragung im Jahr 2010. Bereits im April hatte der M&A-Appetit der Unternehmen deutlich angezogen und stieg im Vergleich zum Oktober 2014 weltweit um 16 Prozentpunkte auf 56 Prozent.

Die Übernahmeabsichten der Unternehmen werden gestützt durch positive Konjunkturerwartungen. Weltweit sind 83 Prozent der Unternehmen zuversichtlich, dass die Weltwirtschaft weiter wächst – 36 Prozent erwarten sogar ein starkes Wachstum. Vor einem Jahr glaubte gerade einmal die Hälfte (53 Prozent) an eine weiter wachsende Weltwirtschaft.

Die positive Sicht auf die Weltwirtschaft könnte sich jedoch schnell eintrüben: Als aktuell größtes Risiko machen 29 Prozent der Unternehmen weltweit die zunehmende politische Instabilität in der Welt aus. Ebenfalls Sorgenfalten macht ihnen die erhöhte Volatilität von Währungen und Rohstoffpreisen – diese wird von 24 Prozent als größtes Risiko eingestuft. Die Eurokrise wird weltweit von 23 Prozent als Hemmschuh gesehen.

Zu diesen Ergebnissen kommt das aktuelle „Capital Confidence Barometer“ der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, für die mehr als 1.600 Manager aus Großunternehmen in 53 Ländern befragt wurden.

„Die Unternehmen sind positiv gestimmt und blicken optimistisch in die Zukunft. Ihren Optimismus lassen sie sich trotz politischer und wirtschaftlicher Krisen und volatiler Märkte nicht nehmen“, kommentiert Eva-Maria Berchtold, Partnerin und Leiterin des Bereichs Transaction Advisory Services bei EY. „Die Zeichen stehen weiter auf Wachstum. Und die Rahmenbedingungen sind günstig wie selten: Die Zentralbanken in den wichtigen Volkswirtschaften halten die Leitzinsen derzeit weiterhin noch niedrig, allerorten kommen die Unternehmen leicht an frisches Kapital. Dazu sind die Kassen vieler Konzerne prall gefüllt.“

Jedes dritte Unternehmen setzt auf Wachstum – Treiber sind vor allem Zukäufe

Angesichts der Rahmenbedingungen verwundert es nicht, dass die Weichen in Richtung Expansion gestellt werden: Jedes dritte Unternehmen (33 Prozent) will seinen Schwerpunkt in den kommenden Monaten auf Wachstum legen. Der überwiegende Teil der Unternehmen (56%) setzt hingegen in den kommenden zwölf Monaten auf Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen.

Als Wachstumstreiber werden zunehmend Zukäufe gesehen: Immerhin jedes fünfte Unternehmen weltweit gibt an, dass es seine Deal-Pipeline in den kommenden Monaten vergrößern will. Bei 37 Prozent der Unternehmen soll die Pipeline gleich bleiben, an eine Reduktion denkt weltweit nur jedes hundertste Unternehmen. 41 Prozent haben gar keine Deals geplant.

Unabhängig von den eigenen Übernahmeplänen schätzen die Unternehmen den M&A-Markt aktuell überaus positiv ein. 83 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass sich das Volumen der M&A-Deals weltweit in den kommenden zwölf Monaten steigern wird.

„Wir werden weiter viel Bewegung auf dem M&A-Markt sehen, aber aufgrund der hohen Volatilität der Märkte auch erhebliche Schwankungen“, sagt Berchtold. „Große Trendthemen wie Big Data oder Industrie 4.0 werden Treiber des Marktes sein. Gerade bei solchen disruptiven Technologien ist es für Unternehmen deutlich einfacher, sich entsprechendes Know-how durch Übernahmen anzueignen als dieses erst mühsam selbst zu entwickeln.“

M&A-Markt auch in Österreich im Aufschwung

Der weltweite Aufschwung des M&A-Markts schlägt sich auch in einem bewegten Jahr in Österreich nieder. Eva-Maria Berchtold dazu: „Nach einer längeren Flaute hat das Übernahmekarussell 2015 auch in Österreich an Fahrt gewonnen. Bis Mitte November wurden 153 Transaktionen abgeschlossen, was einen Anstieg von 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Besonders in Bewegung sind momentan der Immobilien-, Finanz- und Industriesektor. Dieser Trend wird sich unserer Einschätzung nach auch im nächsten Jahr fortsetzen.“

Die größte Transaktion 2015 in Österreich auf der Industrieseite war die Akquisition des Packaging-Spezialisten Duropack durch den britischen Konzern DS Smith für rund 300 Millionen Euro. Aufsehen erregte vor allem eine Transaktion in der österreichischen Start-up-Szene: der Verkauf von Runtastic an Adidas um rund 220 Millionen Euro. Abseits dieser Megadeals war das M&A-Jahr 2015 in Österreich vor allem durch eine Vielzahl kleinerer Transaktionen mittelständischer Unternehmen gekennzeichnet.

Trotz großen Appetits nur wenige Deals abschlussreif

Kurz vor dem Abschluss stehen derzeit allerdings nur wenige Deals. Durchschnittlich werden die Unternehmen weltweit in den kommenden Monaten nur 1,1 Deals abschließen. Dazu Eva-Maria Berchtold: „Nur weil es Übernahmepläne gibt, heißt das nicht immer automatisch, dass diese auch zum Abschluss kommen. So ist die Zahl der attraktiven Übernahmekandidaten beschränkt. Gleichzeitig bedeutet das gesteigerte Interesse auch eine größere Konkurrenz um die wenigen attraktiven Akquisitionsziele. Hinzu kommt: Die Unternehmen unterziehen mögliche Übernahmen und Fusionen inzwischen sehr gründlichen Due-Diligence-Prüfungen. Ziel ist ein nachhaltiges Wachstum. Um an ihr Ziel zu gelangen, müssen die Unternehmen deswegen auch während des Übernahmeprozesses einen langen Atem beweisen und eine professionelle Risikobewertung etablieren.“

Die Gefahr einer Marktüberhitzung sieht EY-Partnerin Berchtold trotz des Booms nicht: „Die Unternehmenslenker kaufen keinesfalls um jeden Preis zu, sondern setzen sich sehr genau mit den Folgen einer Übernahme auseinander. Fast drei Viertel haben in den letzten zwölf Monaten eine M&A-Aktivität im Verhandlungsprozess abgebrochen, wenn der Deal nicht genau in ihre Strategie gepasst hat. Das spricht eindeutig dafür, dass die starke Marktentwicklung und die Lust auf Übernahmen das Ergebnis eines nachhaltigen Wachstumsprozesses und nicht Vorzeichen einer Blase sind.“

70 Prozent der Unternehmen zieht es für Übernahmen in die Ferne

Unternehmen schauen sich eher in weiter entfernten Märkten und in Entwicklungsländern um. So hat weniger als ein Drittel (30%) bei der M&A-Strategie einheimische Unternehmen im Fokus. In den Nachbarländern sehen sich 29 Prozent nach Übernahmekandidaten um. Ganze 41 Prozent schauen für Übernahmen in fernere Länder.

Im Vergleich zur letzten Erhebung vor sechs Monaten planen mehr Unternehmen (40% versus 35%) zumindest zehn Prozent ihres Akquisitionskapitals in Schwellenländern zu investieren. Die Mehrheit sucht jedoch weiterhin nach Übernahmezielen in Industrieländern. Nicht zuletzt aufgrund des schwachen Euros ist die Attraktivität der Eurozone deutlich gestiegen: Mehr als ein Viertel (26%) der Unternehmen sucht dort nach geeigneten Übernahmezielen.

Die beliebtesten Investitionsziele sind weltweit – in dieser Reihenfolge – die USA, Großbritannien, China, Indien und Deutschland. Am größten ist der Appetit der Investoren in Brasilien, den USA, Frankreich, Deutschland und Australien.

Unternehmen suchen nach Übernahmezielen außerhalb des eigenen Sektors

Die zunehmende Aufweichung von Sektoren- und Branchengrenzen heizt auch den M&A-Markt an: Fast die Hälfte der Unternehmen (48%) sucht nach Übernahmezielen außerhalb des eigenen Geschäftsbereiches. Besonders interessant sind für die Käufer Produktionsbetriebe (9%), Einzelhandelsunternehmen (6%) sowie Unternehmen aus dem öffentlichen Sektor bzw. Logistikspezialisten (jeweils 4%). Am größten ist der Appetit für Zukäufe in den Branchen Öl und Gas (69%), Konsumgüter (67%), Industrie (66%) und Energie (65%).