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Andreas Gerstenmayer: „Jeder Plan ist nur so gut, so gut er an die Entwicklung des Marktes angepasst werden kann“

Börse Express: Sie überraschten zuletzt mit besser als erwarteten Neunmonatszahlen, hoben die Guidance für das Gesamtjahr an und wurden von ihren CEO-Kollegen unter den börsenotierten Unternehmen Österreichs als CEO des Jahres 2014 (Anm. im Segment Prime, im Bereich ATX gewann voestalpine CEO Wolfgang Eder, im Segment bond market Andreas Dangl von WEB Windenergie - siehe http://goo.gl/RDffPX) gewählt. Gibt es etwas, das Ihren Blick derzeit überhaupt trüben kann?

ANDREAS GERSTENMAYER: Es läuft ganz gut, aber natürlich, wenn es so läuft, muss man sich besonders mit der Zukunft auseinandersetzen, damit man von dieser nicht überrascht wird. Auch der Werksbau in Chongqing läuft nach Plan. Wir haben derzeit ein Luxusproblem - wir haben in den Kernbereichen einen Umsatz erreicht, den wir zu Beginn des Jahres in dieser Dimension nicht voraussahen. Aber umso mehr beschäftigt die Frage, was kommt als Nächstes?

Börse Express: Sie haben im Rahmen des Q3-Ergebnisses von einem beinahe optimalen Produktmix gesprochen. Wie sieht denn der optimale aus?

ANDREAS GERSTENMAYER: Den gibt es leider nicht. Optimal wäre natürlich eine 100prozentige Auslastung aller Maschinen; aber bei so komplexen Produktionsprozessen ist das faktisch nicht möglich. Die Challenge ist somit, wie können wir auf dem Niveau weiter arbeiten. Wir haben jetzt noch die Herausforderung Chongqing hochzufahren und müssen uns intensiv damit beschäftigen, was wir im Kerngeschäft machen: Stillstand oder Nullwachstum ist Rückschritt.

Börse Express: Das klingt jetzt nach neuen Kapazitäten in den Kernbereichen ...

ANDREAS GERSTENMAYER: Natürlich müssen wir uns damit auseinandersetzen. Neue Kapazitäten bedeuten aber auch neue Investitionen - was Kapazitäten an finanziellen Mitteln und an Human Ressourcen erfordert; das Thema „Erweitern wir unsere Kapazitäten im Kerngeschäft“ beschäftigt uns, auch in Beantwortung Ihrer Eingangsfrage.

Börse Express: Verschieben sich Ihre Präferenzen da ein wenig nach vorne? Bisher habe ich Ihren Weg so verstanden, dass Chongqing erst einmal laufen soll, erst dann wird wegen der Größe dieses Projekts über die weitere Zukunft der bisherigen Kernbereiche gesprochen ...

ANDREAS GERSTENMAYER: Stimmt, das war der ursprüngliche Plan. Aber jeder Plan ist nur so gut, so gut er an die Entwicklung des Marktes angepasst werden kann. Wir sehen derzeit einfach eine enorme Dynamik im Markt. Um im Kerngeschäft nicht zu verlieren stellen sich mir also drei Fragen: Müssen wir etwas tun? Können wir etwas tun? Und wenn jeweils Ja, wann tun wir es? --new_page-- Börse Express: Aus heutiger Sicht, wohin wird da die Reise gehen? Derzeit gibt es ein leichtes Übergewicht im Bereich ‘Mobile Devices’ gegenüber ‘Automotive und Industrials’.

ANDREAS GERSTENMAYER: Das ist eine Momentaufnahme und wird durch die Dynamik des Marktes bestimmt. Vor drei/vier Jahren hatten wir da teils noch Werte von 80 zu 20 Prozent. Ich bin über die verstärkte Diversifikation jedenfalls glücklich, da sich dadurch unterschiedliche Saisonalitäten in den Geschäftszyklen besser ausgleichen. Das ist das Schöne, dass wir mittlerweile ein wenig die Marktstruktur spielen können, um unsere Kapazitäten möglichst voll auszulasten.

Börse Express: Die Investition wäre wenn wohl wieder in China?

ANDREAS GERSTENMAYER: Mit hoher Wahrscheinlichkeit.

Börse Express: Ist damit eigentlich bereits absehbar, dass die bisherige F&E-Zentrale in Leoben ausgedient hat?

ANDREAS GERSTENMAYER: Das sehe ich nicht so. Grundsatzentwicklungen, neue Technologien, sind in Österreich konzentriert; das hat mit den Rahmenbedingungen wie Forschungseinrichtungen zu tun; auch mit dem Know how-Schutz. Dann kommt die Phase der Umsetzung - und diese Weiterentwicklung kann dann nur noch vor Ort passieren.

Börse Express: Bleiben wir beim Thema Know-how: AT&S wurde für den Staatspreis Innovation nominiert – für ich sage eine gekühlte Leiterplatte. Das soll nur Stichwort sein. Aber nachdem AT&S von Innovationen abhängig ist. Gibt es eine Erfolgsformel für die richtige Firmenkultur dazu? Gibt es in Österreich entsprechende Ausbildung?

ANDREAS GERSTENMAYER: Es gibt nicht die Formel. Man braucht die richtigen Leute, die in der Lage sind, über den Tellerrand hinauszublicken - und die die richtige Ausbildung haben. Und denen muss man die richtigen Rahmenbedingungen geben, um das ‘auszuleben’. Das sind vor allem organisatorische Rahmenbedingungen, beinhaltet aber auch eine finanzielle Komponente. Und es bedarf einer klaren Strategie des Unternehmens, der Unternehmensführung.

Börse Express: Bekommt man diese richtigen Leute noch am freien Markt bzw. aus der schulischen/universitären Ausbildung, oder müssen diese selbst ausgebildet werden?

ANDREAS GERSTENMAYER: Das wird immer immer mehr intern stattfinden und liegt daran, dass es in unserem Spezialgebiet der Leiterplatte in der westlichen Welt immer weniger Fachkräfte gibt. Wir holen die Mitarbeiter zumeist direkt von der Schule und investieren noch Jahre in die entsprechende Ausbildung. --new_page-- Börse Express: In einer Ihrer Unternehmenspräsentationen fand ich den Geschäftsbereich: „Advanced Packaging“ - was wird das?

ANDREAS GERSTENMAYER: Es geht dabei um die Einbettung des Chips / der Siliziumkomponenten bzw. ganzer Module in die Leiterplatte. Das spart Platz. Und mit der angesprochenen gekühlten Leiterplatte können dabei zusätzlich Entwärmungskonzepte gefahren werden. Denn überall wo viel Power ist, gibt’s auch viel Energie und damit unerwünschte Wärme. Ich bin davon überzeugt, dass die Miniaturisierung, die Vernetzung der Dinge weiter geht; die Technologie aus der Halbleiterindustrie, die klassische Verbindungstechnik der Leiterplatte und das Einbetten von Komponenten werden immer mehr verschmelzen. Und da sind wir mittlerweile gut positioniert und als eines der wenigen Unternehmen in der Lage, bei allen drei Themen entsprechende Lösungen aus einer Hand anzubieten.

Börse Express: Womit die Erweiterung um IC-Substrate ins Spiel kommt. Bei dem 350 Mio. Euro-Projekt Quongqing ist rund die Hälfte investiert – die weitere Finanzierung sollte gesichert sein. Gibt's eigentlich noch Hürden und mit der Eröffnung rechnen Sie aktuell wann?

ANDREAS GERSTENMAYER: Anfang 2016 - Fallstricke bei so komplexen Technologien gibt es immer: wir sind mitten in der Zertifizierung des Equipments, aber gut unterwegs.

Börse Express: Von wo hat AT&S eigentlich das notwendige Know-how für diese Zertifizierungsschritte?

ANDREAS GERSTENMAYER: Einerseits unterstützt uns der angekündigte Partner aus der Halbleiterbranche methodisch - und ein gewisses Know-how in der Etablierung und Stabilisierung solch hochkomplexer Systemen haben wir auch.

Börse Express: War es eigentlich schwierig, Großaktionäre und Aufsichtsrat von dieser Großinvestition zu überzeugen?

ANDREAS GERSTENMAYER: Die Idee war scheinbar so schlüssig, dass jeder von einer guten Idee sprach - und das Projekt genehmigte. Wir haben aber auch den Vorteil, dass unser Aufsichtsrat sehr verständig ist, was unser Geschäft betrifft.

Börse Express: In unserem letzten Gespräch nach dem Q2 kündigten Sie an, dass Anleger mit einer ähnlichen Dividende wie im Vorjahr rechnen können. Das wären 0,2 Euro. Damals gingen Sie aber noch von einem deutlich geringeren Ertrag im Gesamtjahr aus, als jetzt. Die Aussage gilt trotzdem weiter?

ANDREAS GERSTENMAYER: Wir sind in einem intensiven Investitionsprogramm und haben trotzdem gute Verschuldungszahlen; das will ich im Sinne des Unternehmens beibehalten - die Aussage gilt also weiter.

Börse Express: Sie haben eine 2016 auslaufende Anleihe. Mit den guten Zahlen aus dem Q3 im Hintergrund ließe sich eine Refinanzierung sicher leicht darstellen – Pläne in diese Richtung?

ANDREAS GERSTENMAYER: Nichts, was aktuell kommunizierbar wäre, aber natürlich schauen wir uns das Thema an.

Relevante Links: AT&S Austria Technologie & Systemtechnik AG