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SNB lässt den Franken frei: "Ich stehe unter Schock"

Die Aufhebung des Franken-Mindestkurses durch die Schweizer Nationalbank (SNB) ist auch für den Chefökonomen der Schweizer Großbank UBS eine große Überraschung. "Das haben wir so nicht erwartet. Ich stehe unter Schock. Das ist starke Medizin", sagte Daniel Kalt am Donnerstag in einer ersten Reaktion.

Europa habe die Hausaufgaben aus der Schuldenkrise nicht gemacht, sagte Kalt kurz nach der Ankündigung durch die SNB im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda: Insofern hätte die SNB die Mindestkurspolitik viel länger durchziehen und ihre Bilanz viel weiter aufblähen müssen, als sie ursprünglich gedacht habe. "Darum hat sich die SNB gesagt: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende."

Ein Faktor hinter der Aufhebung des Mindestkurses von 1,20 Franken zum Euro sei die Schwäche des Franken gegenüber dem Dollar. Diese habe der Schweizer Exportwirtschaft deutlich günstigere Wechselkursbedingungen vor allem im Dollar-Raum beschert. "Vor diesem Hintergrund hat sich die SNB gesagt, dass sie den Schritt wagen kann", sagte Kalt.

Die Schweizer Exportwirtschaft habe in den letzten Jahren gezeigt, dass sie sich hervorragend an einen stärkeren Franken anpassen kann. Sie habe an ihren Strukturen und an ihrer Effizienz gearbeitet. "Die Schweizer Wirtschaft ist gut aufgestellt. Wir haben eine starke Binnenkonjunktur", sagte Kalt.

Für Exporteure, die schwergewichtig im Euroraum sind, wird die Aufhebung der Mindestgrenze allerdings das Geschäft schwerer machen. "Man kann erwarten, dass man Bremsspuren in der Schweizer Wirtschaft sehen wird", sagte Kalt.

UBS-Investmentchef Mark Haefele bezifferte die Kosten auf die Exportwirtschaft auf rund 5 Mrd. Franken (rund 4 Mrd. Euro). Damit würde das Bruttoinlandprodukt (BIP) um 0,7 Prozentpunkte nach unten gezogen, teilte er in einer Aussendung mit.

Die SNB beuge sich dem Marktdruck, setze aber einen Teil ihrer Glaubwürdigkeit aufs Spiel, hieß es bei der VP Bank. Die Interventionen der vergangenen Wochen seien für die Währungshüter wohl zu viel gewesen.

Bei der Einführung des Mindestwechselkurses sei an punktuelle Interventionen gedacht worden, nicht aber an permanente. Letztlich dürfte aber auch die Gold-Initiative eine gewisse Rolle bei der Entscheidung gespielt haben. Da der Franken auf dem aktuellen Kursniveau gegenüber dem Euro deutlich überbewertet sei, sollten sich nach einer Übertreibungsphase wieder ein höheres Kursniveau beim Währungspaar Euro-Franken einstellen.

Auch Analysten der US-Bank JP Morgan zeigten sich überrascht, dass sich die SNB "gegen einen geordneten Rückzug" entschieden und damit dem Euro zum Franken komplett den Boden entzogen habe.

"Das ist zwar die sauberste Option - alle Verbindungen zur Geldpolitik der EZB können nun gekappt werden", so die Analysten von JP Morgan. Aber es sei auch die Option mit dem größten Risiko, den Euro-Franken-Kurs unter den fairen Wert zu drücken. JP Morgan sieht diesen bei etwa 1,10 Franken.