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Big Deal in der Autoindustrie: Setzt sich Fiat Chrysler auf den Sozius von VW?

Selbst nach Abschluss der Fusion von Fiat SpA und der US- Sparte Chrysler im vergangenen Jahr zu Fiat Chrysler Automobiles NV, bezeichnete Marchionne die Branche noch immer als fragmentiert und reif für eine weitere Konsolidierung. Die geplante Abspaltung von Ferrari versetzt den 14 Mrd. Dollar schweren Autohersteller in die Lage, sich nach einem weiteren Zusammenschluss umzuschauen. Daraus könnte eine Gruppe hervorgehen, die es mit der erstplatzierten Toyota Motor Corp. aufnehmen oder die Defizite in Asien angehen kann.

Die Autohersteller stehen unter Konsolidierungsdruck. Das liegt am nachlassenden Wachstum sowie steigenden Kosten zur Entwicklung umweltfreundlicherer Autos, automatisierter Fahrfunktionen und Smartphone-artiger Technologien. Wenn Fiat Chrysler die Mittel aus der Ferrari-Abspaltung zur Schuldenreduzierung einsetzt, macht das den Autohersteller zu einem attraktiveren Partner.

Volkswagen AG, Ford Motor Co. und General Motors Co. erfüllen nach Einschätzung von Analysten und Investoren allesamt die Kriterien, die Marchionne letztes Jahr für geeignete Partner umrissen hatte, während Mazda Motor Corp. und Suzuki Motor Corp. Kandidaten für eine realisierbare Fusion in Asien sein könnten.

“Es gibt mittelfristig Raum für Megadeals in der Fahrzeugbranche, da die Autohersteller dazu gezwungen sein werden, die Entwicklungskosten aufzuteilen”, sagt Stefano Aversa, Managing Director des Strategieberaters AlixPartners in London. “Kein Autobauer kann die notwendigen Investitionen alleine tragen, nicht einmal die größten von ihnen.”

Die Abspaltung von Ferrari ist Teil der Bemühungen von Ferrari, rund 5 Mrd. Dollar zur Schuldenminderung einzusammeln. Der Konzern hat im vergangenen Monat auch Aktien und Wandelanleihen emittiert.

Marchionne und John Elkann, Chairman des Autoherstellers und Nachfahre des Fiat-Gründers Giovanni Agnelli, sagten in einem Interview am 30. September, dass Fiat Chrysler für sich allein genommen stark genug sei und keine weiteren Deals nötig seien. Trotzdem skizzierten sie einen idealen Partner für das Unternehmen. Das wäre ein Autohersteller, der global aufgestellt und am europäischen Markt nicht zu exponiert ist, aber kulturell mit dem italienisch-amerikanischen Unternehmen zusammenpasst. Und das könnte Ford an die Spitze der Wunschliste setzen.

“Ford ist zu Fiats Nordstern geworden, seit Fiat-Gründer Giovanni Agnelli Detroit in den 1910ern Jahren besucht hatte”, sagt Giuseppe Berta, Professor an der Universität Bocconi in Mailand und ehemaliger Leiter der Fiat-Archive. “Es gibt klare Affinitäten zwischen Fiat und Ford.”

Susan Krusel, eine Sprecherin für das in Dearborn im US- Bundesstaat Michigan ansässige Unternehmen, sagte, der 57 Mrd. Dollar schwere Autohersteller habe keine anderen Pläne oder Interessen, als sich auf den aktuellen Geschäftsplan zu konzentrieren. Informierten Kreisen zufolge ist Ford nicht daran interessiert, Fiat Chrysler zu besitzen. Fiat wollte sich nicht dazu äußern.

Andere Analysten halten Volkswagen mit seinen europäischen Wurzeln und umfangreichem Geschäft in China für passender. Trotz des öffentlichen Schlagabtauschs zwischen Marchionne und VW- Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, wäre das Portfolio des deutschen 99 Mrd. Dollar schweren Autoherstellers - das von Skoda-Kompaktwagen für den breiten Markt über Premiumfahrzeuge von Audi bis hin zu Sportwagen von Porsche reicht - ein gutes Modell für die Mehrmarkenstrategie von Fiat Chrysler. Da VW Mühe hat, in den USA Marktanteile zu gewinnen, könnten die Automarken Chrysler, Dodge und Jeep attraktiv erscheinen - und Piëch hat schon lange sein Interesse an Alfa Romeo bekundet.

“VW wäre die wahrscheinlichste Hypothese, weil VW in Nordamerika relativ unterexponiert ist”, sagt George Galliers, Analyst von Evercore ISI in London. “Ich sehe weder Ford noch GM als Käufer.”

Im Juli kamen Medienberichte über Fusionen oder Abkommen von Fiat mit Volkswagen oder Frankreichs PSA Peugeot Citroën auf. Der italienische Autobauer dementierte damals Verhandlungen. Ein Vertreter des Wolfsburger Konzerns sagte diese Woche - wie auch schon damals im Juli -, Übernahmen stünden nicht auf der Agenda und man konzentriere sich auf interne Effizienzsteigerungen.

Nachdem Fiat Chrysler aus dem Zusammenschluss als siebtgrößter Autohersteller hervorgegangen ist, dürfte seine Attraktivität gegenüber den Konkurrenten begrenzt sein. Dem Unternehmen mangelt es an ansehnlichen Geschäftsaktivitäten an Wachstumsmärkten wie China und Indien - mit den Hauptstärken an den gesättigten und wettbewerbsstarken US-amerikanischen und europäischen Märkten.

“Fiat Chrysler ist weder attraktiv noch reich genug, um jemand besseren anzulocken als verzweifelte Verstoßene”, meint Erik Gordon, Professor für Betriebswirtschaft an der Universität Michigan. “Der nächste Siegeszug wird nicht so leicht sein.”