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Grafik des Tages: Krise lässt Kaufkraft in Europa auseinanderdriften wie selten zuvor

RegioData Research hat in punkto Kaufkraft die Gewinner und Verlierer der Wirtschaftskrise ermittelt. Das Ergebnis: In jenen Ländern in denen die Krise am stärksten zugeschlagen hat, haben die Konsumenten auch einen starken realen Kaufkraftverlust zu verzeichnen. In 22 europäischen Ländern gab es hingegen - trotz Krise - Zuwächse.

Die Ergebnisse im Detail und im O-Ton:

"Selbst im Krisenzeitraum 2008-2012 konnte die durchschnittliche Pro-Kopf-Kaufkraft* (gemessen in €) in 22 europäischen Ländern auch real betrachtet steigen. Am stärksten waren die Zuwächse in der Schweiz mit 45% (hauptsächlich bedingt durch den veränderten Wechselkurs zum Schweizer Franken), am schwächsten in Belgien (1,1%). Reale Zuwächse im unterschiedlichen Ausmaß konnten auch die Konsumenten in den osteuropäischen Ländern Polen, Russland, Ukraine, Tschechien oder der Slowakei, in Deutschland (2,3%) und in Österreich (2,0%) oder in den großen westeuropäischen Ländern Frankreich und Großbritannien registrieren.

Starke Rückgänge in den „Krisenländern“

Es sind gerade jene Länder, die von der Wirtschaftskrise am stärksten erfasst wurden, in denen auch das durchschnittliche Kaufkraftniveau der Menschen zurückging. So fiel dieses Niveau insbesondere in Island, Ser-bien, Griechenland und Ungarn um je mehr als -16% real zurück. Weni-ger dramatisch waren die Rückgänge in den südeuropäischen Ländern Spanien, Portugal, Zypern und Italien, in Irland sowie in Kroatien, Rumänien und in den Baltischen Staaten. Leicht zurückgegangen ist aber auch die Kaufkraft in den westeuropäischen Ländern Luxemburg, Dänemark und Niederlande.

In puncto Kaufkraft bleibt Europa ein geteilter Kontinent

Die „reichsten“ Europäer leben in Luxemburg. Hier verfügten die Men-schen im Schnitt über eine jährliche Kaufkraft von 31.100 Euro für 2012. Die „ärmsten“ Europäer hingegen leben in der Republik Moldau, wo die durchschnittliche Pro-Kopf-Kaufkraft im Jahr 2012 nur 1.020 Euro betrug. Das sind in etwa 85 Euro im Monat. Aber nicht nur das West-Ost-Gefälle, sondern auch die Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden Europas sind noch beträchtlich und haben sich während der Krise verschärft.

Die Gewinner in der Krise

Die durchschnittliche Kaufkraft der Konsumenten in Euro gerechnet stieg im Zeitraum 2008-2012 in Ländern außerhalb der Euro-Zone, wie beispielsweise in der Schweiz oder in Norwegen, in Ländern mit einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung selbst in der Krise, wie beispielsweise Deutschland, Österreich, Frankreich oder Großbritannien, oder in Ländern, die ein sehr geringes
Kaufkraftniveau und damit einen großen Aufholbedarf haben. Die großen Gewinner waren demnach die Schweizer mit einem Zuwachs von 45% und die Norweger mit 30%. Diese Länder gehören nicht zum Euro-Raum und die Zuwächse sind hauptsächlich
auf Veränderungen des Wechselkurses zurückzuführen. Mit anderen Worten: Die Schweizer können sich im angrenzenden Ausland viel mehr leisten. Auch in der Türkei können sich die Menschen über eine höhere Kaufkraft von mehr als 15% erfreuen und dies ist auf die gute wirtschaftliche Entwicklung des Landes selbst in der Krise zurückzuführen.

Unter den Gewinnern finden sich auch osteuropäische Länder, die ein noch sehr geringes Kaufkraftniveau haben, so zum Beispiel die Ukraine mit 7,7% und Bulgarien mit 13,7%. Insgesamt können 22 Länder in Europa gezählt werden, in denen die durchschnittliche Kaufkraft der Konsumenten in Euro gerechnet zwischen 2008 und 2012 auch real gesehen steigen konnte: Großbritannien, Norwegen, Schweden, Finnland, Frankreich, Belgien, Deutschland, Schweiz, Österreich, Polen, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Bosnien
und Herzegowina, Montenegro, Mazedonien, Bulgarien, Türkei, Republik Moldau, Ukraine, Russland,
Malta.

Die Verlierer: Wirtschaftskrise – Arbeitslosigkeit - Kaufkraftrückgänge

Ausschlaggebend für die Kaufkraftentwicklung der Menschen ist insbesondere die Arbeitsplatzsituation. Diese wiederum hängt von der wirtschaftlichen Dynamik eines jeden Landes beziehungsweise von den Möglichkeiten der Unternehmen ab, neue Arbeitsplätze zu schaffen und höhere Löhne zu bezahlen.

Dass demnach die Kaufkraftrückgänge insbesondere in jenen Ländern Europas am stärksten waren, in denen auch die Folgen der Wirtschaftskrise am stärksten zu spüren waren, verwundert nicht. Am dramatischsten waren die Kaufkraftrückgänge in Weißrussland, in Island, das auch das erste europäische Land war, das die Folgen der Finanzkrise gespürt hat sowie in Serbien (je mehr als 40%). Stark waren die Rückgänge auch in Griechenland und Ungarn (je mehr als 16%).

In allen anderen Krisenländern, wie Portugal, Spanien, Irland oder den Baltischen Ländern haben die Konsumenten die Rückgänge zwar auch deutlich gespürt, dennoch in einem geringeren Ausmaß als in den oben genannten Staaten. Die Rückgänge beliefen sich hier auf -1,1% bei-spielsweise in Lettland oder auf -8,5% in Portugal.

Es gab auch drei westeuropäische Länder, die zwar von der Krise nicht so stark wie andere Staaten erfasst wurden, dennoch einen realen Kaufkraftverlust erleiden mussten: Luxemburg (-3,0%), Dänemark (-2,1%) und die Niederlande (-1,1%).
„Es sind insbesondere die großen oder die wirtschaftlich stabilen Märkte Europas, in denen die durchschnittliche Kaufkraft der Konsumenten selbst im Krisenzeitraum 2008-2012 steigen konnte. Jene Länder hingegen, in denen es eine Mischung aus Exportrückgang, höherer Arbeitslosig-keit und steigender Inflation gegeben hat, registrierten auch Kaufkraftrückgänge“, fasst Wolfgang Richter, Geschäftsführer von RegioData Research zusammen.

Nord-Süd-Gefälle verschärft sich

Europas Kaufkraftunterschiede sind nach wie vor eklatant. So verfügt ein Durchschnittskonsument in der Republik Moldau über nur circa 3% der durchschnittlichen Kaufkraft eines Luxemburgers. Aber auch innerhalb Westeuropas sind die Unterschiede noch beträchtlich: Einem Portugiesen stehen nur rund 30% der Kaufkraftniveaus eines Schweizers zur Verfügung.

Abgesehen davon kämpft Europa auch mit einem Nord-Süd-Gefälle, das sich gerade während der Krise noch verschärft hat. So erreicht das griechische Kaufkraftniveau aktuell nur noch rund 35% vom Kaufkraftniveau eines Norwegers. 2008 betrug das griechische Niveau noch rund 54% des Norwegen-Niveaus.

„Die Wirtschaftskrise hat die volkswirtschaftlichen Schwächen mancher Länder in Europa, die durch die gemeinsame Währung EURO verdeckt wurden, wieder sichtbar gemacht“, kommentiert Richter.