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Poker um Europa-Börse Euronext - Nasdaq mit von der Partie

Das Feilschen um die Zukunft der europäischen Mehrländer-Börse Euronext hat begonnen. Der US-Konkurrent Nasdaq meldete Interesse an dem Konzern an, falls dieser zum Verkauf gestellt wird. "Wir würden uns das ansehen", sagte Nasdaq-Chef Robert Greifeld in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Greifeld geht von einem Verkauf der Euronext frühestens 2014 aus und setzt darauf, dass bis dahin mehr Klarheit über die Wirtschaftsentwicklung in Europa herrscht. "Es wäre schwieriger, heute über ein Angebot zu entscheiden als in 15 Monaten."

Die Euronext, die zur New York Stock Exchange (NYSE) gehört, soll nach der geplanten Übernahme der NYSE durch den US-Konkurrenten ICE abgespalten werden. Angepeilt wird ein Börsengang der Euronext, die die Marktplätze in Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon betreibt. "Die Euronext steht nicht zum Verkauf", sagte NYSE-Euronext-Vize-Chef Dominique Cerutti am Mittwochabend. In Paris und Amsterdam, wo seit der Fusion mit der NYSE 2007 über eine Machtverlagerung nach New York geklagt wird, würden sich viele Manager über einen Börsengang freuen, weil die europäischen Handelsplätze damit ihre Unabhängigkeit wiedergewinnen würden.

Experten und Insider gehen jedoch davon aus, dass die ICE auch einen Verkauf der Euronext in Betracht ziehen würde. "Wenn ein Bieter auf den Plan tritt und ein Angebot abgibt, würde man sich damit natürlich befassen", sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person am Donnerstag zu Reuters. Bevor eine Entscheidung über die Zukunft der Euronext fällt, werde die ICE jedoch zunächst die gut acht Milliarden schwere Übernahme der NYSE abschließen. Dies werde vermutlich bis Ende des Jahres dauern. "Bis dahin kann noch viel passieren." Nach Ansicht von Berenberg-Analyst Richard Perrott könnte die Euronext, die 2011 einen Umsatz von 540 Mio. Dollar (416,54 Mio. Euro) einfuhr, etwa ein bis zwei Milliarden Euro wert sein.

Die Deutsche Börse, die sich in der Vergangenheit mehrfach vergeblich um die Euronext bemüht hat, ist Unternehmenskreisen zufolge nicht mehr an der Mehrländerbörse interessiert, da der Aktien-Handel in den vergangenen Jahren an Attraktivität eingebüßt hat. Wegen des Wettbewerbs mit alternativen Handelsplattformen verlieren etablierte Börsenbetreiber seit Jahren Marktanteile, die Gewinne schrumpfen. Angesichts des rückläufigen Marktes will sich bei der Deutschen Börse niemand eine konfliktträchtige Übernahme der Euronext antun.

Nasdaq-Chef Greifeld hat da deutlich weniger Berührungsängste. An den vier Handelsplätzen der Euronext werde mehr gehandelt als an der Londoner LSE, sagte er zu Reuters. "Das ist keine Kleinigkeit." Greifeld gilt als guter Freund von ICE-Chef Jeff Sprecher. 2011 legten beide Konzerne gemeinsam ein feindliches Übernahmeangebot für die NYSE vor, die damals eine Fusion mit der Deutschen Börse anstrebte. ICE und Nasdaq scheiterten damit allerdings - wie später auch Nyse und Deutsche Börse - am Widerstand der Aufsichtsbehörden.

Für die Nasdaq werde sich durch die NYSE-ICE-Deal wenig ändern, sagte Greifeld, schließlich stehe sein Konzern kaum im Wettbewerb mit der auf Futures und Optionen spezialisierten ICE. Die Technologiebörse sei folglich nicht gezwungen, Übernahmen in Angriff zu nehmen, werde aber zugreifen, falls sich Chancen ergeben. Dem fusionierten ICE-Nyse-Konzern, der von Sprecher geleitet werden soll, sagt Greifeld eine rosige Zukunft voraus. "Jeff ist wahrscheinlich die richtige Person, um die Organisation in der heutigen Zeit voranzubringen."

APA