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Krise der EU wirft Schatten auf Friedensnobelpreis-Verleihung

Für die Europäische Union ist es ein großer Tag: Am Montag wird der Staatengemeinschaft in Oslo der Friedensnobelpreis für ihren Beitrag für ein friedliches und stabiles Europa verliehen. Doch die Feierstunde lenkt den Blick auch auf den derzeitigen Zustand des Staatenbundes. Und um den ist es nicht zum Besten bestellt. Die EU kämpft weiter mit der Wirtschafts- und Schuldenkrise. In etlichen Ländern wächst die Skepsis gegenüber Brüssel und oft fällt es den Mitgliedstaaten schwer, an einem Strang zu ziehen.

"Die EU geht durch eine schwierige Phase", gestand EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am Sonntag in Oslo. Doch sei er sicher, dass Europa "aus der Unsicherheit und der Rezession stärker als zuvor hervorgehen" werde. Europa müsse wieder "ein Symbol der Hoffnung" werden, forderte er. Der Vorsitzende des Nobelkomitees, Thorbjörn Jagland, hob die positive Rolle des Staatenbunds bei der Wahrung von Frieden hervor. In den mehr als 60 Jahren seines Bestehen habe es "Streit und Dramen" gegeben, doch statt zu Krieg hätten sie zu Kompromissen geführt.

Ganz so harmonisch präsentierten sich die Mitgliedstaaten am Vorabend der Preisverleihung nicht. Zwar kommen neben der deutsche Kanzlerin Angela Merkel, dem französischen Staatschef Francois Hollande und Bundeskanzler Werner Faymann (S) auch die meisten anderen der 27 Staats- und Regierungschefs zu der Zeremonie nach Oslo. Doch ein halbes Dutzend bleibt fern - allen voran der britische Premier David Cameron. Der Konservative, der zunehmend europakritisch auftritt, begründete sein Fehlen ironisch damit, dass "dort genug Leute sein werden, um den Preis abzuholen".

In der Tat werden neben Van Rompuy auch der EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz präsent sein, um gemeinsam die Auszeichnung entgegenzunehmen. Zwar sind damit die drei EU-Institutionen gleichberechtigt vertreten, doch für Kritiker ist der gemeinsame Auftritt ein Symbol für den komplizierten Aufbau der Europäischen Union, der auch in der Krise die Suche nach einem Ausweg erschwert.

Als vor zwei Monaten die Vergabe des Preises an die EU bekannt gegeben wurde, sprach ein Kommissionssprecher euphorisch von einem "Lichtstrahl in einer dunklen Zeit". Doch die Euphorie währte nur kurz: Noch immer ist der Streit über Höhe und Verwendung der EU-Mittel für die Jahre bis 2020 ungelöst. Bei der europäischen Bankenaufsicht ist die bis zum Jahresende geplante Einigung in Gefahr. Und in der diplomatisch wichtigen Frage der Aufwertung des UN-Status der Palästinenser fanden die Europäer keine gemeinsame Haltung.

Vor der Preisverleihung ist auch die Diskussion wieder aufgeflammt, ob die Europäische Union den Friedenspreis überhaupt verdient. Mehrere frühere Preisträger wie der südafrikanische Geistliche Desmond Tutu protestierten gegen die Wahl. Und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf der EU vor, sie trage mit ihrer Flüchtlingspolitik "zum Teil selbst zu Menschenrechtsverletzungen bei" und bekämpfe Diskriminierung wie im Fall der Roma in EU-Staaten "oft nicht entschieden genug".

Ihren Willen zu einem erfolgreichen gemeinsamen Abschluss des Jahres können die EU-Länder Ende der Woche demonstrieren, wenn sie auf einem EU-Gipfel über Pläne diskutieren, die Gemeinschaft krisenfest zu machen. Anders als in Oslo wird dann immerhin mit dem Erscheinen aller Staats- und Regierungschefs gerechnet. i88