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Basel III - Jahrhundert-Reform für Banken droht Fehlstart
Aus dem "Big Bang" droht ein Rohrkrepierer zu werden. Am 1. Jänner sollen alle europäischen Banken die neuen, verschärften Eigenkapitalregeln einhalten, um die Branche für die nächsten Krisen zu wappnen. Doch die Politiker in Brüssel haben so lange darum gestritten, wie die grösste Bankenreform aller Zeiten in Gesetze zu giessen ist, dass den Instituten nun die Zeit unter den Fingern verrinnt.
Wenn das EU-Parlament das Regelwerk am 22. Oktober verabschiedet - und nicht einmal das ist sicher -, sind erst die IT-Programmierer in den Banken an der Reihe. Das dauert Monate und kostet Milliarden. "Nur wer spürbare Vorarbeiten geleistet hat, kann die Implementierung in dem kurzen Zeitraum schaffen", sagt Dirk Auerbach, Bankenexperte der Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG. Der Teufel steckt im Detail, Fehler sind programmiert. Sie drohen das ohnehin erschütterte Vertrauen der Investoren in die Branche weiter zu untergraben.
Doch noch wird nicht am 1. Jänner gerüttelt. "Der politische Druck ist enorm, der Bewegungsspielraum ist gering", sagt Jan Sinclair, Vorstand der Deutschland-Tochter der schwedischen Bank SEB. "Formal wird man beim 1. Jänner als Einführungsdatum bleiben, anderes kann man sich politisch kaum leisten", pflichtet Auerbach bei. Doch die Zahlen der Institute zu ihrer Kapitalausstattung können in den ersten Monaten 2013 wenig mehr sein als Hochrechnungen. Darüber macht man sich auch bei den Aufsehern Sorgen: "Das letzte, was wir in diesen Zeiten der Euro-Schuldenkrise brauchen können, ist noch mehr Verwirrung über die Banken", sagt einer von ihnen.
Die deutschen Bankenverbände haben deshalb gefordert, den Startschuss zu verschieben. "Der europäische Gesetzgeber und die European Banking Authority haben ihre Zeitpläne aufgrund der Komplexität der neuen Regeln immer weiter nach hinten geschoben - das darf jetzt nicht zulasten der Banken gehen", moniert Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied des Genossenschaftsbanken-Verbandes BVR.
Immerhin: Die britische Bankenaufsicht FSA hat angekündigt, dass sie erst im Juli anfangen wird, die Daten von den Banken einzusammeln. Der Sommer 2013 ist auch für andere Behörden der avisierte Zeitpunkt, zu dem die Institute gefordert sind, wie es in Aufsichtskreisen heisst. Doch dass die Aufseher am Anfang ein Auge zudrücken, ist für BVR-Vorstand Hofmann keine Lösung: "Die Banken wollen nicht auf ihr Wohlwollen angewiesen sein. Sie wollen ein ordnungsmässiges Verfahren, nicht Improvisation in zentralen Aufsichtsnormen."
Die Grundzüge des Reformwerks "Basel III" stehen seit fast zwei Jahren fest, und die EU hat die wichtigsten Teile davon in eine EU-Verordnung gepackt, die in Kraft treten kann, ohne dass die Parlamente der einzelnen Staaten noch zustimmen müssen. Zu Beginn kommt Basel III auch recht harmlos daher: 3,5 Prozent Aktienkapital und Gewinnrücklagen müssen die Banken im Jänner 2013 vorhalten. "Die grossen Banken sind durch die jüngsten Stresstests ohnehin deutlich oberhalb des Niveaus von Basel III. Kleine und mittlere Banken, wie Volksbanken und Raiffeisenbanken erfüllen Basel III bereits jetzt, da sie überdurchschnittlich kapitalisiert sind."
Doch für die Banken ist es nicht damit getan, die Messlatte für ihre Kernkapitaldecke von zwei Prozent der Bilanzrisiken (RWA) bis 2019 schrittweise auf sieben Prozent hochzulegen, für die ganz grossen Banken auf neun. Die ganze Berechnungsgrundlage ändert sich, die Risikobewertung jedes Kredits, jeder Anleihe und jedes Derivats kann sich ändern, bestimmte Beteiligungen müssen vom Kapitalstock abgezogen werden. "Man wird ein halbes bis ein Jahr brauchen, um die neuen Regeln technisch richtig darzustellen. Bis dahin wird man vieles per Hand rechnen müssen - und das ist nicht trivial", sagt Hofmann voraus.
Am meisten Angst haben die Institute vor einem neuen Wortungetüm: der "credit value adjustment charge" (CVA). Sie könnte den Kapitalbedarf für jene massiv aufblähen, die für ihre Kunden Derivate etwa zur Absicherung von Währungsschwankungen oder steigenden Ölpreisen konstruieren. Je nachdem, wie kreditwürdig der Kunde ist, müssen sie nach Basel III Kapital dafür hinterlegen. "Sie haben schon eine Vorstellung davon, was sie dafür brauchen, aber nur eine ungefähre. Was ihnen fehlt, ist Sicherheit.", sagt PwC-Direktor Richard Barfield. Sogar die Aufseher haben vorsichtig angeklopft in Brüssel, ob man nicht die Einführung der CVA um einige Monate verschieben könnte, wurden aber brüsk abgewiesen.
Egal, was die Aufseher machen, die Investoren kennen ohnehin wenig Gnade mit den Banken: "Nach unserer Auffassung müssen die Banken die Basel-III-Kapitalanforderungen nicht exakt im Jänner 2013 erfüllen", sagt Portfolio-Manager Torsten Martens von der Münchener-Rück -Kapitalanlage-Tochter MEAG. "Aber der Markt - und wir auch - fordern eine deutlich kürzere Übergangsphase als bis 2019." (Reuters)
Wenn das EU-Parlament das Regelwerk am 22. Oktober verabschiedet - und nicht einmal das ist sicher -, sind erst die IT-Programmierer in den Banken an der Reihe. Das dauert Monate und kostet Milliarden. "Nur wer spürbare Vorarbeiten geleistet hat, kann die Implementierung in dem kurzen Zeitraum schaffen", sagt Dirk Auerbach, Bankenexperte der Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG. Der Teufel steckt im Detail, Fehler sind programmiert. Sie drohen das ohnehin erschütterte Vertrauen der Investoren in die Branche weiter zu untergraben.
Doch noch wird nicht am 1. Jänner gerüttelt. "Der politische Druck ist enorm, der Bewegungsspielraum ist gering", sagt Jan Sinclair, Vorstand der Deutschland-Tochter der schwedischen Bank SEB. "Formal wird man beim 1. Jänner als Einführungsdatum bleiben, anderes kann man sich politisch kaum leisten", pflichtet Auerbach bei. Doch die Zahlen der Institute zu ihrer Kapitalausstattung können in den ersten Monaten 2013 wenig mehr sein als Hochrechnungen. Darüber macht man sich auch bei den Aufsehern Sorgen: "Das letzte, was wir in diesen Zeiten der Euro-Schuldenkrise brauchen können, ist noch mehr Verwirrung über die Banken", sagt einer von ihnen.
Die deutschen Bankenverbände haben deshalb gefordert, den Startschuss zu verschieben. "Der europäische Gesetzgeber und die European Banking Authority haben ihre Zeitpläne aufgrund der Komplexität der neuen Regeln immer weiter nach hinten geschoben - das darf jetzt nicht zulasten der Banken gehen", moniert Gerhard Hofmann, Vorstandsmitglied des Genossenschaftsbanken-Verbandes BVR.
Immerhin: Die britische Bankenaufsicht FSA hat angekündigt, dass sie erst im Juli anfangen wird, die Daten von den Banken einzusammeln. Der Sommer 2013 ist auch für andere Behörden der avisierte Zeitpunkt, zu dem die Institute gefordert sind, wie es in Aufsichtskreisen heisst. Doch dass die Aufseher am Anfang ein Auge zudrücken, ist für BVR-Vorstand Hofmann keine Lösung: "Die Banken wollen nicht auf ihr Wohlwollen angewiesen sein. Sie wollen ein ordnungsmässiges Verfahren, nicht Improvisation in zentralen Aufsichtsnormen."
Die Grundzüge des Reformwerks "Basel III" stehen seit fast zwei Jahren fest, und die EU hat die wichtigsten Teile davon in eine EU-Verordnung gepackt, die in Kraft treten kann, ohne dass die Parlamente der einzelnen Staaten noch zustimmen müssen. Zu Beginn kommt Basel III auch recht harmlos daher: 3,5 Prozent Aktienkapital und Gewinnrücklagen müssen die Banken im Jänner 2013 vorhalten. "Die grossen Banken sind durch die jüngsten Stresstests ohnehin deutlich oberhalb des Niveaus von Basel III. Kleine und mittlere Banken, wie Volksbanken und Raiffeisenbanken erfüllen Basel III bereits jetzt, da sie überdurchschnittlich kapitalisiert sind."
Doch für die Banken ist es nicht damit getan, die Messlatte für ihre Kernkapitaldecke von zwei Prozent der Bilanzrisiken (RWA) bis 2019 schrittweise auf sieben Prozent hochzulegen, für die ganz grossen Banken auf neun. Die ganze Berechnungsgrundlage ändert sich, die Risikobewertung jedes Kredits, jeder Anleihe und jedes Derivats kann sich ändern, bestimmte Beteiligungen müssen vom Kapitalstock abgezogen werden. "Man wird ein halbes bis ein Jahr brauchen, um die neuen Regeln technisch richtig darzustellen. Bis dahin wird man vieles per Hand rechnen müssen - und das ist nicht trivial", sagt Hofmann voraus.
Am meisten Angst haben die Institute vor einem neuen Wortungetüm: der "credit value adjustment charge" (CVA). Sie könnte den Kapitalbedarf für jene massiv aufblähen, die für ihre Kunden Derivate etwa zur Absicherung von Währungsschwankungen oder steigenden Ölpreisen konstruieren. Je nachdem, wie kreditwürdig der Kunde ist, müssen sie nach Basel III Kapital dafür hinterlegen. "Sie haben schon eine Vorstellung davon, was sie dafür brauchen, aber nur eine ungefähre. Was ihnen fehlt, ist Sicherheit.", sagt PwC-Direktor Richard Barfield. Sogar die Aufseher haben vorsichtig angeklopft in Brüssel, ob man nicht die Einführung der CVA um einige Monate verschieben könnte, wurden aber brüsk abgewiesen.
Egal, was die Aufseher machen, die Investoren kennen ohnehin wenig Gnade mit den Banken: "Nach unserer Auffassung müssen die Banken die Basel-III-Kapitalanforderungen nicht exakt im Jänner 2013 erfüllen", sagt Portfolio-Manager Torsten Martens von der Münchener-Rück -Kapitalanlage-Tochter MEAG. "Aber der Markt - und wir auch - fordern eine deutlich kürzere Übergangsphase als bis 2019." (Reuters)
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