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Telekom Austria: Slims Fantasie können nicht alle teilen

„Geografische Diversifizierung“, „attraktive Präsenz in Mittel- und Osteuropa“, „langfristiger strategischer Partner“ - recht viel mehr ist America Movil (AMX) am Freitag nicht zur Fantasie des Einstiegs bei der Telekom Austria zu entlocken. Carlos Slim hat mit seiner America Movil den Einstieg bei der Telekom Austria besiegelt und wird bis Jahresende den gesamten 21%-Anteil übernehmen, den Ronny Pecik und der ägyptische Milliardär Naguib Sawiris aufgebaut haben.

Während die ÖIAG und die Republik somit im mexikanischen Telekom-Milliardär ihren „Weissen Ritter“ für die Telekom Austria gefunden haben und die Telekom-Aktie zumindest kurzfristig vom Einstieg profitieren sollte, können nicht alle am Markt Slims Schritt nachvollziehen.

Eine Frage des Gelds ist es freilich nicht: America Movile hat genug davon. Bei einer geschätzten Nettoverschuldung zu EBITDA von 1,2x und Kapitalinvestitionen von rund 9 Mrd. Dollar heuer und voraussichtlich in den nächsten Jahren sollte der Free Cashflow laut UBS-Schätzung von knapp 6 Mrd. Dollar in 2012 auf 9,2 Mrd. Dollar in 2015 ansteigen.

Cash, das entweder an die Aktionäre ausgeschüttet werden kann oder in Investitionen fliesst - in möglichst ertragträchtige halt.

Und damit wären wir beim Knackpunkt angelangt, was die Telekom Austria betrifft. Es wird zwar derzeit nicht gesagt, zu welchem Preis Slim die Telekom-Aktien übernimmt, der Markt orientiert sich aber an den zuletzt in Medien kolportierten 9,5 Euro. Pecik-Partner Sawiris lässt dazu heute ausrichten, er und Pecik würden einen „schönen Gewinn“ machen.

Und diese 9,5 Euro wären laut Meinung zahlreicher Analysten für die Telekom Austria schon ziemlich viel. UBS-Analyst Dan Kwiatkowski etwa tut sich mit der Attraktivität des Austro-Happens für America Movil schwer. „Falls der Kaufpreis über 7 Euro je Aktie lag, wovon auszugehen ist, bezweifeln wir den Reiz“. Der österreichische Mobilfunkmarkt gelte als einer der härtesten in Europa, zuletzt litt die Telekom zudem unter einem schwachen Umfeld in Bulgarien und Kroatien.

JPMorgan-Analyst Hannes Wittig sieht die Sache pragmatischer: Die Transaktion scheine einzig davon geleitet zu sein, dass AMX/Slim eben glauben, dass die Telekom das wert sei. „Während Slims Intentionen unklar bleiben, kann man für den Sektor zumindest positiv herauslesen, dass er irgendeinen Value sieht“, so Wittig, der das nicht für unrealistisch hält. Seiner Meinung nach sollte die Telekom Austria beim EBITDA heuer nicht enttäuschen, zudem bestehe Aufwärtspotenzial durch die Marktkonsolidierung in Österreich und durch eine Stabilisierung in Weissrussland. Von einer vollen Privatisierung der Telekom Austria geht er derzeit nicht aus.

Dieser Meinung ist auch Telekom-Analyst Usman Ghazi von der Berenberg Bank. „Unserer Ansicht nach hat sich America Movil mit dem Einstieg in Stellung für ein Vorkaufsrecht gebracht, sollte sich die ÖIAG jemals zurückziehen und die Telekom voll privatisiert werden“. Und weiter: „Die AMX-News sind insofern positiv für das Sentiment, als Slim denkt, dass ein Minderheitsanteil an der Telekom 9,5 Euro je Aktie wert ist. Das legt die Vermutung nahe, dass er für eine Mehrheit mehr zahlen würde. Das wäre aber nur bei einer Privatisierung der Fall, die wir derzeit nicht sehen“. Sobald somit wieder die Fundamentaldaten in den Fokus rücken, werde der Kurs voraussichtlich sinken.

Für RCB-Analyst Bernd Maurer ist nun interessantest, welche regulatorischen Zustimmungen America Movil benötigt, um die ausstehenden 16% zu erwerben und ob die Republik Österreich eine Anteilserhöhung über 25% blockieren würde. Er verweist diesbezüglich auf ein im Vorjahr beschlossenes Gesetz, wonach ausländische Investoren (die nicht aus der EU oder der Schweiz kommen) bei sensiblen Unternehmen die Zustimmung des Wirtschaftsministeriums benötigen, so sie mehr als 25% halten wollen. Da America Movil aber wohl von der ÖIAG als „weisser Ritter“ geholt worden sei, hält Maurer eine Zustimmung zu einer Aufstockung über 25% für möglich.

Von 25% und mehr ist seitens AMX derzeit aber keine Rede. Auch die Analysten der Erste Group sehen keinen Kontrollwechsel:  „Selbst nach der Übernahme des 23%-Anteils erwarten wir kein Übernahmeangebot für die Telekom, weil es nach unserer Meinung keinen Kontrollwechsel gibt – die ÖIAG bleibt ja klar der grösste Einzelaktionär. Wo Synergien zwischen Telekom und AMX entstehen können, muss wahrscheinlich erst analysiert werden“. (bs)

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