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Brezinschek: Finanzmärkte bewegt von Wahlausgängen in Griechenland und Frankreich

Am Beginn dieser Woche werden die Marktgeschehnisse wohl von den Wahlausgängen in Frankreich und vor allem in Griechenland dominiert sein. Die Wahlen am Sonntag brachten den von den meisten erwarteten Wahlsieg Hollandes in Frankreich (52 % der Stimmen) und eine vernichtende Niederlage der Regierungskoalition in Griechenland.

Die Märkte dürften kurzfristig verunsichert reagieren, immerhin bleibt Frankreich im Wahlkampf. Nach der Präsidentschaftswahl finden am 12. Juni die Parlamentswahlen statt. Traditionellerweise ist hierbei die Partei des neugewählten Präsidenten im Vorteil. Die Finanzmärkte könnten insbesondere die rasche Umsetzung von notwendigen Strukturreformen aufgrund der stärkeren Nahebeziehung der sozialdemokratischen Partei mit den Gewerkschaften in Gefahr sehen. Zudem könnte eine Verschlechterung der Zusammenarbeit mit Deutschland beim Krisenmanagement im Euroraum bzw. bei der Neugestaltung der Währungsunion befürchtet werden. Zudem ist mit spätestens nach den Parlamentswahlen mit Herabstufungen der Bonitätsnote Frankreichs durch Ratingagenturen zu rechnen. Wir erwarten jedoch keinen signifikanten Kurswechsel in der Europa-Politik der neuen französischen Administration.

In Griechenland kommen nach Auszählung von 99,1 % der Stimmen Nea Dimokratia (ND) und PASOK nur mehr auf 18,9 % bzw. 13,2 % der Stimmen, damit haben sie nach vorliegender Hochrechnung mit 149 der 300 Parlamentssitze eine Regierungsmehrheit um zwei Sitze verfehlt. Es stehen nun langwierige und problematische Koalitionsverhandlungen an. Immerhin haben sich nur die beiden (ehemaligen) Großparteien zu einer Fortsetzung des eingeschlagenen Sanierungskurses bekannt. Die übrigen im politischen Spektrum rechts und links außen positionierten Parteien fordern hingegen ausdrücklich eine Abkehr vom „aufgezwungenen“ Reformkurs. (Die zweitstärkste Partei, das Linksbündnis Syriza mit 16,8 %, ist z.B. zwar für einen Verbleib im Euro, aber gegen die Vereinbarungen mit der EU.) Von den übrigen Parteien gelten lediglich die links-pragmatische Partei „Demokratische Linke“ (6,1 %, Abspaltung der PASOK) sowie mit Abstrichen auch die Partei der „Unabhängigen Griechen“ (10,6 %, Splitterpartei der ND) als koalitionsfähig. Doch schon eine Koalition zwischen PASOK und ND ist aufgrund der traditionell großen Differenzen kein Garant für eine innenpolitische Stabilität. Ein Scheitern der Regierungsverhandlungen und Neuwahlen stehen im Raum.
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Die klare Ablehnung des Sanierungsweges durch die griechischen Wähler wird nicht nur die Regierungsbildung erschweren, sondern in weiterer Folge das Verhältnis zur EU stark anspannen. Griechenland ist nach wie vor vom Geldfluss der europäischen Länder bzw. des Internationalen Währungsfonds unter anderem zur Abdeckung des riesigen Budgetdefizits abhängig. Die internationalen Geldgeber dürften aber angesichts des Drucks der eigenen Wahlbevölkerung keine weiteren Verzögerungen des ausgearbeiteten Sanierungsprogramms akzeptieren. Substanzielle Neuverhandlungen sind auszuschließen, Ergänzungen bzw. gute Ideen zur Belebung der Wirtschaft ausgenommen. Angesichts der Radikalisierung der griechischen Politik ist somit ein Scheitern des Hilfsprogramms für Griechenland durchaus möglich. Immerhin ist bei gegebner politischer Landschaft kein Reformfortschritt bis Juni bei der nächsten Überprüfung der Staatsfinanzen bzw. Umsetzung von versprochenen Maßnahmen durch die EZB/EU-Kommission/den IWF zu erwarten. Ein negativer Bericht und eine Sperrung der nächsten Kreditetranche ist dann wahrscheinlich. Somit könnten diese Wahlen den Beginn des Ausstiegs Griechenland aus der Eurozone einläuten!
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Auswirkungen auf Finanzmärkte im aktuellen Umfeld:

Ein drohender ungeordneter Staatsbankrott oder gar Euro-Austritt wird die Märkte nicht nur für ein paar Tage verunsichern und zu einer nochmaligen Flucht in deutsche Anleihen führen. Ein tatsächlicher Austritt Griechenlands aus der Eurozone (samt neuerlicher Ansteckung anderer Peripherieländer) würde den Bestand des Euro zwar nicht gefährden, aber wohl für mehrere Monate die Finanzmärkte schwer belasten.

Staatsanleihen: Mit anhaltender Unsicherheit über die weiteren politischen Entwicklungen sehen wir deutsche Staatsanleihen bis Mitte Juni weiterhin gut unterstützt. Das gilt ebenso für US-Staatsanleihen als sicherer Hafen. Spiegelbildlich dazu ist der Spielraum für eine Einengung der Peripherie-Staatsanleihespreads bis dahin sehr gering.

EUR/USD: EUR/USD fiel heute mit 1,298 auf den tiefsten Stand seit Jänner – mit dem Durchbrechen der 1,30er Marke und der absehbaren Unsicherheit wie der Reformweg in Griechenland und Frankreich fortgesetzt wird sind weitere Rückgänge in Richtung Jänner-Tief (1,26) zu befürchten (gefolgt von einer mittelfristigen Erholung über 1,30).

EUR/CHF: Der Aufwertungsdruck auf den CHF bleibt weiter aufrecht, die 1,20 werden aber von der Notenbank in den nächsten Monaten weiterhin erfolgreich verteidigt werden.

CEE: Der Wahlausgang in Frankreich sowie Griechenland sollte nur geringe Auswirkungen für die CEE-Region bringen. Während das Wahlergebnis in Frankreich für CEE eher neutral einzuschätzen ist, birgt die Unsicherheit in Griechenland zumindest das Potenzial für eine leichte Korrektur. Obwohl wir eine kurzfristige Abschwächung am Währungs- und Anleihenmarkt, vor allem in den liquideren Märkten (allen voran die CE Region mit Polen, Ungarn sowie der Tschechischen Republik) nicht ausschließen würden, sollte ein solcher Effekt eher kurzfristig sein. Wir würden entsprechende Schwächephasen daher bei den drei genannten Ländern als kurzfristige Kaufgelegenheiten ansehen und belassen unsere Prognosen unverändert.
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Aktienmärkte: Nach einer schwachen Reaktion auf die Wahlergebnisse müssen wir uns in den nächsten Wochen (bis zu den französischen Parlamentswahlen) auf eine niedrigere Handelszone bei den europäischen Aktienindizes einstellen. Dies bedeutet beispielsweise beim DAX Index eine um 250 bis 300 Punkte tiefere Handelsspanne als zuvor (6500 – 7100 Punkte). Eine generelle Ausbildung eines klaren Abwärtstrends erwarten wir nicht, wohl aber starke Kursausschläge je nach Nachrichtenlage. Obwohl die bisherigen Unternehmensergebnisse und deren Ausblicke recht zufriedenstellend ausgefallen sind, wird durch die jüngste (politische) Entwicklung das Erreichen unserer bisherigen Juni-Indexziele deutlich schwieriger werden. Bei signifikanten Kursrückgängen würden wir daher langfristigen Anlegern zu schrittweisen Zukäufen raten, bei heftigen technischen Aufwärtsreaktionen jedoch kurzfristige Gewinne mitzunehmen. Der langfristige Trend wird durch die Reformschritte in der Eurozone und sich aufhellende Konjunkturperspektiven in Richtung 2013 maßgeblich bestimmt. Die Börsenentwicklung in den USA sehen wir tendenziell mit weniger Abwärtsrisiko als in der Eurozone behaftet.