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Japan und die Folgen - Investoren auf Orientierungssuche

Angesichts der humänitären Katastrophe mit mehreren tausend Toten in Japan sind wirtschaftliche Auswirkungen klar zweitrangig. Nichtsdestotrotz, Investoren beschäftigen sich freilich damit und deshalb wimmelt es zum Wochenauftakt nur so von Statements und ersten Einschätzungen.

Dabei kristallisieren sich auch schnell Verlierer und potenzielle Gewinner an den Märkten heraus. Aktien von Versicherern und AKW-Betreibern, wie etwa die deutschen Konzerne E.ON und RWE, sind deutlich unter Druck. Die Erzeuger alternativer Energien, z. B. Solarwerte, aber auch der österreichische Verbund mit seiner starken Wasserkraftkomponente, ziehen an. Vor diesem Hintergrund setzt es etwa eine Höherstufung für Verbund durch Kepler bzw. die Streichung des Atomstromproduzenten EDF von der sogenannten "Key Call List" der UBS.

Die Ereignisse in Japan werden nicht nur generell weltweit die Debatte um die Verwendung der Kernenergie neu anheizen, kurzfristig könnte sich in Japan auch die Nachfrage nach Flüssigerdgas er­höhen, was wiederum den europäischen Gas- und Energiepreisen helfen könnte.

Die möglichen mittelfristigen Auswirkungen der nuklearen Katastrophe auf die Wirtschaft seien um vieles weitreichender als die Zerstörung durch Erdbeben und Tsunami. Für sämtliche Länder stelle sich nun die Frage nach der Sicherheit der Atomenergie. "Jede schnelle Änderung, den Verbrauch von Nuklearenergie einzuschränken, würde voraussichtlich zu einem schwächeren Wirtschaftswachstum in Japan führen, die Energiepreise und damit auch die Unternehmensergebnisse beeinträchtigen", schreiben die UniCredit-Experten Tammo Greetfeld und Chri­stian Stocker in einer ersten Reaktion.

Ein weiteres Risiko liegt in einer stärkeren radioaktiven Verseuchung, was wiederum einen deutlichen Einfluss auf die Kapitalflüsse haben könnte. Nicht zuletzt wären auch Zweifel, inwiefern Japan langfristig seine Staatsschulden begleich kann, denkbar. Die Aktienmärkte der Eurozone werden von einem Gegenwind erfasst werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Euro Stoxx 50 das von der UniCredit ausgegebene Juni-Ziel von 2700 Punkten erreicht, sei gestiegen. Aktuell notiert der Index bei rund 2880 Punkten, was ytd einem Anstieg von 3% entspricht. Die Konsolidierungs- bzw. Korrekturphase könnte nun einige Monate dauern.

"Die negativen Auswirkungen auf den DAX könnten aufgrund des hohen Anteils exportorientierter Unternehmen kurz­fristig stärker sein als in anderen europäischen Märkten", so Greetfeld und Stocker. Generell erhöhen sich die Risken für die zykli­schen Sektoren, während die defensiven Branchen an Attraktivität gewinnen.

Im Research der Erste Group sieht man vorerst eher geringe Auswirkungen der Katastrophe auf die wichtigsten europäischen Leitindizes. "Lediglich einzelne Sektoren sollten ihre relative Schwäche fortsetzen. Betroffen ist vor allem der Versorger­bereich, insbesondere in jenen Ländern, wo Atomkraft eine dominierende Rolle spielt", heisst es in einer ersten Reaktion. "Ein klarer Profiteur der aktuellen Problematik dürften Energieversorger wie der österreichische Verbund sein, welcher bekannterweise einen hohen Anteil seiner Stromproduk­tion aus Wasserkraft erzielt und selbst keine Atomkraftwerke betreibt."

Aufgrund des enormen Schadensausmas­ses zählt auch der internationale Versi­cherungssektor und hier insbesondere jener der Rückversicherer zu den negativ betroffenen Branchen. Da noch keine Details bekannt sind, werden die Anleger diese Branche in den kommenden Wochen tendenziell geringer gewichten. Roh­stoffe dürften geringer betroffen sein. "Der Ölsektor könnte ein wenig profitieren, ebenso der Goldsektor als klassischer ,safe haven’", heisst es von den Analysten. (red)