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OMV steht wieder im Nordafrika-Gewitter

Tunesien ist gefallen, Ägypten auch. Aber welches Land ist das nächste? Seit heute gibt es nach Algerien und Co eine weitere Möglichkeit: Libyen. Im Staat von Revolutionsführer Muammar Gaddafi berichten internationale Nachrichtenagenturen von ersten Protesten der Bevölkerung gegen die amtierende Regierung. Libyen hat für die Welt dabei zwar nicht die strategische Bedeutung Ägyptens mit dem Suez-Kanal, ist aber jenes Land Nord­afrikas, das die grössten Ölreserven aufweist und für die Energieversorgung Süd­europas eine grosse Bedeutung spielt. Diese hat Libyen auch im Produktionsportfolio der OMV, die einen Grossteil ihrer nordafrika­nischen Assets im Staat des Revolutions­führers liegen hat - die Aktie ist heute Europas schwächster Branchenvertreter.
Dabei haben die Österreicher noch Glück, dass der Revolutionsführer zumindest scheinbar noch fest im Sattel sitzt. Die ­Proteste richten sich bis dato einzig gegen den Premierminister Baghdadi al-Mahmoudi. Gaddafi kam 1969 durch einen Militärputsch an die Macht. Sechs Jahre später betrat die OMV die Bühne.

Einer der ­Meilensteine in dieser Beziehung war dann 1985, als grosse Teile der Anlagen von Occidental Petroleum übernommen wurden. (Die Hälfte war ohnehin bereits "verstaatlicht".) Occidental reagierte damit auf das dann 1986 umgesetzte "Embargo" der USA, verbunden mit einem Verbot für US-(Öl-)Konzerne, in Libyen tätig zu sein. Seit 1985 ist Libyen bei der OMV offiziell das Zentrum der nordafrikanischen E&P-Kernregion.
Jedenfalls drückt heute vor allem die Furcht vor einer Eskalation der Situation auf die OMV-Aktie, die bereits den Grossteil des Tages das Schlusslicht im ATX ­bildet. Da half auch nicht, dass die Erste Group ihre Kaufempfehlung wie auch das Kursziel mit 44,50 Euro bestätigte, die ­Gewinnprognose 2010 wurde minimal ­angehoben.

Auch der sich weiter über 100 Dollar je Barrel liegende Ölpreis liess die Aktie des grössten heimischen Konzerns kalt, womit sich der Abstand in der Entwicklung zum schwarzen Gold weiter ausweitet (siehe Chart unten). Das war aber bereits im Fall Tunesien so, als die OMV nur wenige Tage vor dem Ausbruch der Unruhen die Übernahme von Ölassets eines anderen US-Konzerns bekanntgab (Pioneer Resources). Damit standen 605 Millionen frisch investierte Euro im Feuer.


Ein anderer Emerging Market macht OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer derzeit mehr Freude - die Türkei: Der ­türkische Energiemarkt ist einer der attraktivsten in Europa, sagt Kurt Oswald vom Consulter A.T. Kearney. Während für den gesamten Energieverbrauch in der EU bis 2020 eine Stagnation prognostiziert wird, ist für die Türkei ein Plus von 2,8 Prozent pro Jahr zu erwarten, geht aus der Studie hervor - die im Auftrag der OMV erstellt wurde.
Das Ergebnis der Studie freut den OMV-CEO naturgemäss, da er zum Beispiel mit Petrol Ofisi im Besitz der grössten ­Tankstellenkette des Landes ist - damit ­habe man "die kritische Masse" im stark wachsenden Energiemarkt erreicht, sagte der OMV-Chef in Istanbul.
Die Türkei ist für Ruttenstorfer dabei die Brücke zu den Öl- und Gasquellen des kaspischen Raumes bzw. des Nahen Ostens für die OMV und für Europa. Das bisherige Investitionsvolumen in der Türkei bezifferte Ruttenstorfer mit rund 2 Mrd. Euro.
­Eine Milliarde kostete dabei die im Oktober 2010 durchgeführte Anteilsaufstockung an ­Petrol Ofisi von 41,58 auf 95,75 Prozent. Derzeit wird ein Über­nahme­angebot für die restlichen Teile vorbereitet, das noch von den Aufsichtsbehörden genehmigt ­werden muss. Ausserdem erwägt die OMV, sich als Minderheitsaktionär an einer der derzeit zwei geplanten Raffinerien zu beteiligen, was mehrere hundert Millionen Euro kosten dürfte. Weitere 500 Millionen kommen durch ein im Bau befindliches Gaskraftwerk in der Schwarzmeerstadt Samsun dazu.


Interessantes sagte der OMV-Chef zu Nabucco: "Ohne Schah Deniz keine Nabucco" - in dieser Klarheit wurde das bisher nicht kommuniziert. Das Problem: Die Entwicklung des Gasfeldes Schah-Deniz-2 durch ein Konsortium unter Führung der BP und Statoil kommt nicht so richtig voran. Über das im kaspischen Meer und zu Aserbeidschan gehörende Feld wird bereits seit einem Jahrzehnt diskutiert - die Entwicklungskosten werden auf mehr als 15 Milliarden Euro geschätzt. Nächstes ­Problem: Selbst wenn das Feld in Betrieb gehen sollte, es bietet sich auch das ­Nabucco-Konkurrenz-Projekt South ­Stream an, das Gas zu übernehmen. Russland-Präsident Putin hat diesbezüglich bereits seine Kontakte spielen gelassen. Kein Wunder also, dass sich die OMV mittlerweile auch South Stream nicht mehr so ganz verschliesst. Die entsprechende Machbarkeitsstudie, ob die Gaspipeline am Erdgasknotenpunkt Baumgarten angebunden werden kann, wird Ende März fertig sein, heisst es bei der OMV.
Bis dahin sollte sich das "Problem" Libyen auch erledigt haben ...

Relevante Links: OMV AG