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bwin - Marktregulierung Chance oder doch Belastung?

Das Sentiment für die bwin-Aktie hat sich in den vergangenen Tagen deutlich verschlechtert: Insgesamt drei Downgrades auf Underperform (von Exane BNP am Montag, Davy am Dienstag und Barclays Capital am Mittwoch) schicken die Online Gaming Aktie auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr. Intraday hält sich der Titel am Mittwoch teilweise nur knapp über der Marke von 30 Euro. War Cheuvreux-Analyst Alfred Reisenberger im April noch allein auf weiter Flur, als er die bwin-Aktie auf Underperform stutzte, haben mittlerweile bereits vier Häuser ein Sell- bzw. Underweight-Rating ausgegeben vs. sieben Kaufempfehlungen.

Was ist passiert?

Die Regulierung einzelner Märkte wird von etlichen Analysten plötzlich skeptischer beäugt. Zum einen, weil eben oft nicht alle Bereiche für Online Gaming Anbieter geöffnet werden, zum anderen, weil damit höhere Kosten (Marketing. Lobbying) und auch Steuern verbunden sind. Als Konsequenz kommt auch Druck auf die Ergebnisschätzungen für bwin und PartyGaming.

Diese Entwicklungen kommen im Prinzip zwar nicht überraschend, die Regulierung wird aber von etlichen Analysten zumindest auf kurze Sicht nicht länger als Chance begriffen.


"Während wir die Regulierung der europäischen Online Gaming Märkte für die grossen Anbieter langfristig nach wie vor positiv sehen, erweist sich der Übergang in den regulierten Bereich als ziemlich holprig für jene Anbieter, die bereits in den entsprechenden Ländern vertreten sind", meint etwa David Jennings von Davy.

Ed Birkin von Barclays Capital betrachtet das regulatorische Risiko für bwin und PartyGaming nun ebenfalls skeptischer: "Im vergangenen Jahr gab es zwar kein Einzel-Ereignis, das unsere Sicht der Regulierung verändert hat, aber eine Summe leicht negativer Events lässt sie nun doch in etwas anderem Licht erscheinen." Sprich, es kommt auf die Art der Marktregulierung an. Diese kann, wie in Italien, eher günstig für die Anbieter ausfallen, auch wenn es zu Verzögerungen kommt. Oder sie kann, wie in Frankreich (kein Casino-Angebot, hohe Steuern auf Sportwetten), zumindest anfangs stark auf den Gewinnen lasten.

Und das französische Modell dürfte Schule machen, das befürchten die Analysten zumindest. "Frankreich hat einen signifikant negativen Effekt auf die Gewinne. Jede weitere Regulierung dürfte zwar grundsätzlich positiv für die Anbieter sein, aber der Umstand, dass die Regierung die Marktöffnung als Erfolg verkauft, sollte zu denken geben", so Birkin. Das französische Rahmenwerk limitiere das Marktwachstum und steigere die Steuereinnahmen. Die Gefahr ist also hoch, dass andere Staaten damit liebäugeln.

bwin und PartyGaming hätten zwar den richtigen Ansatz gewählt und sind schnell am französischen Markt gestartet, was ihnen mittelfristig Vorteile gegenüber anderen Anbietern bringt. "Aber das bedeutet nicht zwingend, dass die beiden auch mit Blick auf die absoluten Gewinne die Nase vorne haben werden", so Birkin.

Sowohl Jennings als auch Birkin befürchten, dass das in argen Budgetnöten befindliche Griechenland bei der Regulierung das französische Modell wählen wird. Das spielt insofern eine Rolle, als Griechenland für das kombinierte Unternehmen bwin/PartyGaming 2009 der drittgrösste Markt war (mit einem kombinierten Umsatzanteil von 7% grösser als Frankreich). "Angesichts der Gewinnrückgänge, die mit der Öffnung in Frankreich verbunden waren, sehen wir eine signifikante Downside, wenn Griechenland einen ähnlichen Weg einschlägt", so Birkin.

Und da ist von Deutschland (25% der kombinierten Umsätze vor Synergien) noch gar nicht die Rede. Das Problem: Nach dem jüngsten EuGH-Urteil, wonach die deutsche Gesetzgebung EU-Recht entgegenläuft, spricht zwar jeder von der Regulierung, aber keiner weiss noch, wie die "Future of Gaming" aussehen wird. In der Vorwoche trafen sich die Chefs aller 16 deutschen Bundesstaaten und einigten sich auf die Ausarbeitung von zwei Vorschlägen bis zum nächsten Treffen am 15. Dezember.

"Unser Basis-Szenario ist, dass Deutschland Sportwetten und Poker beginnend mit Jänner 2012 und ähnlich wie in Frankreich reguliert", so Birkin. Für genaue Zahlen sei es zwar noch zu früh. Wenn es aber so kommt, könnte dies 2012 den Grossteil der Fusionssynergien kosten. "Die nächsten 18 Monate werden entscheidungsrelevant. Je mehr Märkte zu einem ‘Regulierungs- und Besteuerungs-Modell’ wechseln, um so wichtiger wird es für die Anleger, dass die Online Gaming Anbieter mehr Infos zur geografischen Aufsplittung der Gewinne veröffentlichen", meint Jennings.

Und was ist mit dem Hoffnungsmarkt USA?
Hier gilt nach wie vor am wahrscheinlichsten, dass Online-Poker von Staat zu Staat reguliert wird. Aber das ist ein langfristiger Prozess. "Die Anleger sollten sich eher mit den Effekten der europäischen Regulierung beschäftigen, denn mit einer potenziellen Upside durch eine US-Regelung", meint Birkin. Eine Gefahr für den Merger sieht er übrigens nicht. (bs)

Aus dem Börse Express vom 3. November 2010

Relevante Links: bwin Interactive Entertainment AG, bwin.party digital entertainment plc