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'Grenzmärkte sind die Schwellenländer von morgen'

Börse Express: Gratulation zum heuer bereits zweiten Sieg bei der Wahl zum "Fonds des Monats". Diesmal mit dem Templeton Frontier Markets Funds. Was können wir uns aber eigentlich unter Frontier Markets vorstellen - so etwas wie ein aufgeweichtes Next 11?

Martin Linsbichler: Wir bei Franklin Templeton sind begeistert vom Potenzial der Frontier Markets. Einige dieser Märkte dürften in Zukunft eine wichtige Rolle spielen und sich früher oder später zu ausgewachsenen Schwellenländern entwickeln. Warum? Weil ein wichtiger Beitrag zum Wachstum in den Grenzmärkten der steigende Verbrauch ist, der eine starke Kaufkraft in diesen Ländern erzeugt. Diese Märkte haben so auch die Fähigkeit, durch Ausgaben Wachstum zu generieren. Wenn Sie Mark Mobius zum Thema "Next 11" fragen, wird er Ihnen antworten: "Ich mache Next 11 seit über 30 Jahren." Wenn Sie wollen, umfassen also die Frontier Markets sogar mehr als die "Über-Next-11". Wir sprechen hier immerhin von weit über 30 Ländern.

Börse Express: Was zeichnet im Allgemeinen solche Grenzmärkte aus?

Martin Linsbichler: Sie zeichnen sich durch eine niedrige Marktkapitalisierung und Liquidität aus und bestechen durch starke Wachstumspotenziale. Der IWF rechnet hier mit enormen Wachstumsraten. So soll Vietnam im Jahr 2010 ein Wachstum von sechs Prozent verzeichnen, Nigeria sieben und Katar 18,5 Prozent. Dem steht ein Durchschnitt von mageren 2,3 Prozent für die Industrieländer gegenüber. Gerade für Investoren, die an hohen Renditen interessiert sind und geringe Korrelation zu anderen internationalen Märkten suchen, kann der Fonds interessant sein.

Börse Express: Und was sind die Risken? Wäre etwa ein Double-dip eines?

Martin Linsbichler: Wir sind nicht davon überzeugt, dass sich bei Schwellenländeraktien
eine Spekulationsblase bilden könnte. Die diesjährigen Börsengänge in den Schwellenländern werden voraussichtlich ihren Höchststand seit den Rekord-Börsenzulassungen im Jahr 2007 erreichen. Das ist ein starkes Signal für die anhaltende Marktstärke. Die Grenzmärkte sind tendenziell preiswert - viel preiswerter als die Emerging Markets. Daher meinen wir, dass die Frontier Markets für Anleger interessant sind, die langfristig investieren und kurzfristig eine erhöhte Volatilität verkraften können.

Börse Express: Es weht so ein bisschen das Protektionismus-Gespenst durch die Medienwelt. Wären Frontier Markets von schwächeren Wachstumsraten im Welthandel nicht besonders betroffen?

Martin Linsbichler: Die Frontier Markets werden auf absehbare Zeit weiter von der immensen Nachfrage und dem steigenden Konsum in der industrialisierten Welt und von den Schwellenländern profitieren. Kasachstans Erde enthält nun einmal riesige Rohstoffvorkommen zur Befriedigung des weltweiten Bedarfs. Nigerias Wirtschaft profitiert nicht nur vom Ölreichtum, sondern auch von den 150 Millionen Einwohnern mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren, von denen sehr viele sehr bald eine lokale Bankverbindung benötigen. Hier sehen wir erfreulicherweise ein Binnenwachstum. Die Protektionismus-Diskussionen sehe ich derzeit eher zwischen der industrialisierten Welt und zum Beispiel China als zwischen Asien und Afrika.

Börse Express: Seit Fondsauflage im Oktober 2008 liegt der Fonds auf Dollarbasis mehr als 60 Prozent in Front, der MSCI-Weltindex kommt auf 35 Prozent. Warum kamen diese Märkte so gut durch die Wirtschafts­krise? Galt dort der Fokus auf Sicherheit nicht?

Martin Linsbichler: Asien beispielsweise war zu Beginn der Krise in einer viel besseren Verfassung und hatte nur wenig Schulden. Infolgedessen erholte sich die Wirtschaft nun stärker und hat das Potenzial eines zukünftig noch schnelleren Wachstums. Insgesamt zeichnen sich die Frontier Markets, in die wir investieren, durch geringe Verschuldungsgrade aus.

Börse Express: Mit welchem Anlagehorizont sollte gerechnet werden?

Martin Linsbichler: Schwellenländer und Grenzmärkte sind als langfristige Anlagechancen anzusehen. Für Anleger, die insbesondere über kürze­re Zeiträume Wert auf beständige, regel­mässige und verlässliche Anlageerträge legen, sind Investments in Schwellen- oder Grenzmärkten eher ungeeignet. Wir analysieren die Unternehmen, in die wir investieren wollen, immer auf ihre Potenziale in einem Fünf-Jahreshorizont.

Börse Express: Der Fonds hatte zuletzt 117 Einzelpositionen. Ist Ziel die breite Streuung?

Martin Linsbichler: Ja, die Anlagephilosophie sieht in etwa diese Grössenordnung vor. Die Investmentstrategie beruht auf Stockpicking, also auf einer gezielten Einzeltitelauswahl. Dabei ist unsere lokale Präsenz in den Grenzmärkten ein enormer Wettbewerbs­vorteil. Unser Ziel ist es, die attraktivsten und preisgünstigsten Titel für das Portfolio zu finden.

Börse Express: Der Fonds ist auch regional stark gestreut. Kann man so etwas überhaupt entsprechend managen?

Martin Linsbichler: Genau dabei kommt einer unserer grössten Vorteile zu tragen: Die Ressourcentiefe - das Herzstück des Investmentansatzes von Franklin Templeton. Wir sind nämlich von einem Punkt felsenfest überzeugt: erfolgreiche Kapitalanlage steht und fällt in diesen Märkten mit dem Zusammenspiel von Wissen über Land und Leute, Kulturverständnis, Präsenz vor Ort und der Fähigkeit zum Erwerb umfassender Kenntnisse über die Leistungsmöglichkeiten eines Unternehmens. Unser Templeton-Team unter der Leitung von Mark Mobius besitzt genau dieses lokale Know-how, da es seit über 20 Jahren mit 17 Büros in den Schwellenländern vor Ort ist.

Börse Express: Finanztitel machen den bei weitem grössten Portfoliobestandteil aus - in Zeiten von Basel II und verstärkter Regulierung ein nicht oft gesehener Schritt ...

Martin Linsbichler: Sie dürfen nicht vergessen, dass wir hier nicht von EU-Mitgliedern und Basel II sprechen, sondern von Retail-Banken und Geschäftsbanken etwa in Nigeria und Katar, die von den grossen Möglichkeiten in ihrem Heimatmarkt profitieren.

Börse Express: Würden Sie österreichischen Anlegern die Euro- oder Dollar-Tranche des Fonds empfehlen?

Martin Linsbichler: Für Euro-Anleger ist die EUR-H1-Tranche des Fonds empfehlenswert, da bei dieser Anteilsklasse der Euro fast vollständig gegen Wechselkursrisiken zum US-Dollar abgesichert wird.

Börse Express: Was sind die Top-Titel des Fonds?

Martin Linsbichler: Die zwei grössten Werte im Portfolio sind der südafrikanische Mobilfunker MTN sowie Öl- und Gasförderer Kazmunaigas aus Kasachstan. MTN war einer der Hauptsponsoren der Fussball-Weltmeisterschaft 2010 und ist ein führender Anbieter im Bereich Mobilfunk, der in 20 Ländern aktiv ist. Das Unternehmen bedient einen Markt von rund 500 Millionen Menschen. Aufgrund der soliden Fundamentaldaten schätzen wir das Unternehmen als sehr attraktiv ein. Kazmunaigas ist das zweitgrösste ölfördernde Unternehmen in Kasachstan. Ende 2008 wurden die Ölreserven des Unternehmens und -ressourcen auf 241 Mio. Tonnen geschätzt, ein Vorrat, der bei gleichbleibendem Produktionsniveau circa 25 Jahre hält.
Unter den Top-Ten-Werten ist auch die United Bank for Afrika (UBA) vertreten - eines der grössten Finanzinstitute Westafri­kas, das in acht afrikanischen Staaten tätig ist. Für mehr als 7,2 Millionen Kunden wurden über 8,5 Millionen Karten ausgegeben. Derzeit hat UBA mehr als 700 Filialen, und nachdem die Märkte im Bankbereich schlecht abgedeckt sind, ist dort noch sehr viel Spielraum vorhanden. Wenn man bedenkt, dass allein Nigeria 150 Millionen Einwohner mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren hat, ist es nicht schwer, sich das zukünftige Wachstumspotenzial dieser Aktie vorzustellen.