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Türkische Lira weiter auf Talfahrt - Weniger Eingriffe der Notenbank?

FRANKFURT (dpa-AFX) - Spekulationen über nachlassende Eingriffe der türkischen Notenbank am Devisenmarkt haben die Talfahrt der Lira am Mittwoch beschleunigt. Sie fiel zum US-Dollar und zum Euro um jeweils gut fünf Prozent und markierte damit abermals historische Tiefstände. Am Morgen mussten für einen Dollar bis zu 23,27 Lira und für einen Euro bis zu 24,79 Lira gezahlt werden - so viel wie noch nie.

Experten zufolge hatte die Notenbank vor der Präsidentschaftswahl die Lira aufgrund des politischen Drucks künstlich gestützt, um ein positiveres Bild von der wirtschaftlichen Lage zu zeichnen. Vor der Stichwahl um das Präsidentenamt Ende Mai, die Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan gewonnen hatte, hatten die Kurse noch um die 20 Lira je Dollar und 21,50 Lira je Euro gelegen.

Die Währung der Türkei steht seit Jahren unter Druck, die Wirtschaft des Landes schwächelt, die Inflation ist hoch. Zuletzt lag die Teuerung trotz eines Rückgangs noch bei 40 Prozent. In der Spitze wurden im vergangenen Jahr bis zu 85 Prozent markiert.

Nun will Erdogan mit einem neuen Wirtschaftsteam Vertrauen an den Finanzmärkten zurückgewinnen. So berief er den international angesehenen Experten Mehmet Simsek als Finanzminister ins neue Kabinett. Cevdet Yilmaz wurde als Vizepräsident berufen, er gilt ebenfalls als Vertreter einer traditionellen Wirtschaftspolitik.

Die Amtsvergabe sei allerdings eine vielleicht notwendige, aber keinesfalls hinreichende Bedingung für einen tatsächlichen dauerhaften Umschwung in der Geldpolitik, gibt Devisenexperte Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank zu bedenken. Vertreter einer funktionierenden Geldpolitik könnten im allerbesten Fall kurzfristige Zinserhöhungen durchsetzen, nicht aber eine dauerhafte Wende zu stabilitätsorientierter Geldpolitik.

Das zeigt laut Leuchtmann auch ein Blick in die Vergangenheit: "Wer zum Beispiel nach den Zinserhöhungen 2018 darauf setzte, dass die Lira nun stabil oder stark notieren würde, hatte schon bald teuer draufzulegen. Marktteilnehmer vergessen solche schmerzlichen Erfahrungen nicht so schnell, scheint mir."

Die türkische Notenbank hatte den Leitzins aufgrund des politischen Drucks nach dem starken Anstieg 2018 rasch wieder gesenkt. So hatte Erdogan sich in der Vergangenheit immer wieder für sinkende Zinsen ausgesprochen, weil seiner Meinung nach nur damit der Kampf gegen die hohe Inflation zu gewinnen sei. Das widerspricht allerdings nicht nur der gängigen volkswirtschaftlichen Theorie, sondern auch den praktischen Erkenntnissen aus der Vergangenheit./mis/bgf/stk

AXC0084 2023-06-07/10:04

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