Aktien Europa: Höchste Jahresverluste seit 2018 - London mit positiver Bilanz
PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Europas Aktienmärkte haben sich am Freitag
zum Ende eines überwiegend tristen Börsenjahres schwach präsentiert.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine führte zu einer
Explosion der Energiepreise und einer stark steigenden Inflation,
welche die Notenbanken mit deutlichen Zinsanhebungen bekämpfen - was
tendenziell Gift für als riskant geltende Anlagen wie Aktien ist.
Marktbeobachter sprechen von einem "Börsenjahr zum Vergessen",
welches die Anleger nun "einfach abhaken" sollten, machen aber Mut
mit Blick insbesondere auf die zweite Hälfte 2023.
Gegen Mittag stand der EuroStoxx 50 0,62 Prozent im
Minus bei 3826,01 Punkten, womit er einen Teil der deutlichen
Vortagsgewinne abgab. Für den Dezember zeichnet sich ein Verlust von
dreieinhalb Prozent ab und für 2022 ein Kursrutsch von elf Prozent.
Damit droht dem Eurozonen-Leitindex das schwächste Jahr seit 2018.
Ähnlich trübe sieht es beim französischen Cac 40 aus,
der am Freitag um 0,56 Prozent auf 6536,40 Punkte nachgab.
Für den britischen FTSE 100 , der tags zuvor nur
moderat zugelegt hatte, ging es zuletzt um 0,23 Prozent auf 7495,49
Zähler nach unten. Anders als in den vergangenen Jahren hinkt das
Londoner Börsenbarometer diesmal den anderen wichtigen Indizes aber
nicht hinterher, sondern lässt sie hinter sich: Für 2022 steuert es
auf ein Plus von immerhin anderthalb Prozent zu und zählt damit zu
den weltweit wenigen Gewinnern. In London schließt die Börse bereits
um 13.30 Uhr und damit früher als üblich.
Das gute Abschneiden verdankt der "Footsie" vor allem seinen
zahlreichen Mitgliedern aus der Öl- und Energiebranche, die im zu
Ende gehenden Börsenjahr vom starken Anstieg der Preise für Erdgas
und Energie profitierten. Gleichzeitig ist der Anteil der Tech-Werte
im Vergleich eher niedriger, wie die Experten des Brokers IG
erklären. Gerade Technologieaktien litten 2022 besonders stark unter
steigenden Zinsen im Sog des Kampfes der Notenbanken gegen die hohe
Inflation.
Aus Branchensicht gab es am Freitag in Europa fast nur Verlierer. Am
besten hielten sich noch Einzelhandelsaktien, die auf Jahressicht zu
den größten Verlierern gehören: Ihr Subindex im
marktbreiten Stoxx Europe 600 schaffte ein knappes
Plus.
Größte Tagesverlierer waren indes die Indizes der Reise- und
Freizeit- sowie der Telekombranche mit
Abschlägen von jeweils 0,9 Prozent.
Kursbewegende Unternehmensnachrichten gab es am letzten Handelstag
des Jahres nicht. Im EuroStoxx 50 zählten die Aktien von
Vortags-Spitzenreiter Prosus mit minus anderthalb
Prozent zu den größten Verlierern. Am Donnerstag hatten die Titel
insbesondere von der starken Kursentwicklung des chinesischen
Internetriesen Tencent profitiert, an dem die
Tech-Beteiligungsgesellschaft rund 28 Prozent hält.
Mit dem deutschen Immobilienunternehmen Vonovia war
zudem einer der größten Jahresverlierer im Eurozonen-Leitindex weit
hinten zu finden - die Aktien büßten ebenfalls anderthalb Prozent
ein. Immobilientitel haben 2022 angesichts der
steigenden Zinsen mehr als jede andere Branche verloren. Da half
auch nicht, dass Vonovia-Chef Rolf Buch trotz steigender Zinsen
keinen Rückgang der Immobilienpreise erwartet. "Der Leerstand in den
Städten ist niedrig. Ich habe selten erlebt, dass die Preise sinken,
wenn die Nachfrage höher ist als das Angebot", sagte er der
"Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung"./gl/jha/