, boerse-express

Hat der US-Dollar als Weltwährung ausgedient? (Ottmar Wolf)

 

Was haben der portugiesische und spanische Real, der niederländische Gulden, die französische Livre, das britische Pfund und der US-Dollar gemeinsam? Richtig: Seit Anfang der Globalisierung im 16. Jahrhundert waren alle diese mal die führende Weltwährung. Weltwährung bedeutet die Währung zu sein, in der die meisten internationalen Transaktionen durchgeführt und die meisten Währungsreserven von unterschiedlichen Ländern gehalten werden.

Dies ist sicherlich eine nachvollziehbare, wenn auch zu einfache Erklärung. Vielmehr muss eine Währung eine ganze Bandbreite von Bedingungen erfüllen, um tatsächlich zur Weltleitwährung aufzusteigen und diesen Status für eine gewisse Zeit zu halten. Wesentliche Bedingungen sind dabei unter anderem folgende:

• Hohe institutionelle Qualität (des Landes der Weltwährung)

• Freier Kapitalfreiverkehr

• Tiefe, liquide Märkte für risikofreie Assets

• Stabilität in ökonomischen und finanzmarkt-bedingten Stresssituationen

• Bereitschaft des Weltwährungslandes, mit Leistungsbilanzdefiziten zu leben

Auf der anderen Seite führt eine kontinuierliche Ausweitung des Leistungsbilanzdefizits dazu, dass immer größere Bestände der Weltwährung von internationalen Investoren gehalten werden, die diese Bestände wiederum in Vermögenswerten des jeweiligen Landes anlegen müssen. Dadurch gerät ein immer größerer Anteil der Vermögenswerte des Weltwährungslandes (Aktien, Anleihen, Immobilien, Fabriken, usw.) in den Besitz ausländischer Investoren. Ein Land mit einem nachhaltigen Leistungsbilanzdefizit ist also ein Exporteur von Eigentumsrechten. Ein immer größerer Anteil der Eigentumsrechte des Weltwährungslandes gelangt dadurch in den Besitz von internationalen Investoren, die eventuell abweichende Interessen von der Mehrheit der einheimischen Bevölkerung vertreten. Das kann zu erheblichen politischen Spannungen führen, mit denen das Weltwährungsland komfortabel umgehen können muss.

Schwache Konkurrenz.

Wer über die Ablösung des US-Dollars als Weltleitährung diskutiert, muss zunächst überprüfen, inwiefern der Greenback die genannten Kriterien (noch) erfüllt. Zum anderen ist aber die Frage zu stellen, ob bzw. inwiefern sich einzelne Kandidaten, die von verschiedener Seite immer mal wieder als potenzieller Nachfolger gehandelt werden, als Herausforderer des US-Dollars als Weltwährung tatsächlich aufdrängen. Dazu werden im Folgenden der Euro, der chinesische Renminbi und der Bitcoin betrachtet.

Grundsätzlich erfüllt der Euro fast alle Bedingungen, um dem US-Dollar den Status als Weltwährung streitig machen zu können. Das einzige wesentliche Manko der europäischen Gemeinschaftswährung ist diesbezüglich das Fehlen tiefer liquider Märkte für quasi risikofreie Assets. So gibt es praktisch keine von den Staaten der Eurozone gemeinsam emittierten und garantierten Staatsanleihen („Eurobonds“). Deutsche Bundesanleihen gelten de facto zwar als „das risikofreie Asset“ der Eurozone, sie machen aber nur 3,6 Prozent des weltweiten Marktes für Staatsanleihen aus. Das ist vom Prozentsatz, aber auch vom Gesamtvolumen her einfach zu wenig, um zum global führenden risikofreien Asset zu werden. Im Vergleich dazu ist der Markt für US-Staatsanleihen um das Zehnfache größer. Ohne Fiskalunion der Euro-Staaten, für deren Implementierung es eine politische Mehrheit in allen betroffenen Ländern geben müsste, wird der Euro weiterhin das bleiben, was es ist – der kleine Bruder des US-Dollars.

Unabhängig von der verwendeten Messgröße ist China vor einigen Jahren zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen und es hat diese Position seither nachhaltig ausgebaut. Der chinesische Renminbi spielt in der Weltwirtschaft allerdings weiterhin eine nur sehr untergeordnete Rolle. Damit der Renminbi überhaupt eine Chance hätte, zur dominanten Weltwährung zu werden, müsste China den Kapitalverkehr liberalisieren. Dies würde bedeuten, dass die Regierung bzw. die chinesische Zentralbank die Kontrolle über den Wechselkurs des Renminbi aufgeben müsste. Der Wechselkurs des Renminbi würde dann durch die Kraft der Märkte frei bestimmt werden. Gleichzeitig müsste die Qualität der Institutionen wesentlich verbessert werden. Ein transparentes politisches System sowie politisch unabhängige Aufsichtsbehörden und ein freies Justizsystem wären die absoluten Grundvoraussetzungen. Dies erscheint äußerst unwahrscheinlich und selbst wenn es gewollte wäre, würden derartige Veränderungen bis zu ihrer Umsetzung viele Jahre in Anspruch nehmen.

Bliebe in unserer kurzen Auflistung als letztes der Bitcoin, der von vielen Kryptoanhängern als zukünftige Weltwährung gesehen wird. Der Bitcoin ist überaus volatil und es hat sich gerade erst wieder nachhaltig gezeigt, dass er in Krisensituationen genau das Gegenteil eines „Flight-to-Safety-Assets“ ist. Die Eigenschaften des Bitcoin mit seinem Algorithmus, der eine maximal zu emittierende Anzahl von Einheiten (21 Millionen) vorgibt, machten ihn möglicherweise zu einer potenziellen Alternative zu Gold („digitales Gold“), keinesfalls aber zu einer möglichen Weltwährung. Seine stark begrenzte Vermehrung würde deflationäre Effekte verursachen und die globale Volkswirtschaft nicht mit hinreichender Liquidität versorgen können. Darüber hinaus werden die Länder oder Regionen der dominierenden Währungen kaum dazu bereit sein, die Vorteile einer Weltwährung einfach an ein „neues Konstrukt“ abzugeben. Sollte der Bitcoin jemals zu einer realen Alternative zum US-Dollar, Euro, Yen, ... aufsteigen, liegt es nahe, dass die USA, die EU, Japan und Co den Gebrauch von Bitcoin in ihren Zahlungssystemen verbieten würden.

Dies würde dann wahrscheinlich auch den Umtausch von Bitcoin in die jeweilige Währung durch Banken beinhalten. Die Drohung, der jeweiligen Bank den Zugang zum US- oder EU-Finanzsystem zu entziehen, ist in diesem Zusammenhang in jedem Fall ein gewichtiges Argument. Die These, dass in einer Welt mit zentralisierten politischen Systemen eine dezentrale Währung zur dominanten Weltwährung aufsteigen kann, erscheint deshalb grundsätzlich sehr gewagt. Mehr als das „digitale Gold“ kann der Bitcoin deshalb sehr wahrscheinlich nicht werden.

Der US-Dollar ist heute die klar dominante Weltwährung. Das willkürliche Einfrieren russischer US-Dollar-Reserven infolge des Ukraine-Kriegs hat an seinem Qualitätsnimbus zwar gekratzt und in puncto Zuverlässigkeit die US-Institutionen beschädigt, allerdings gibt es unseres Erachtens aktuell zum Greenback keine ernstzunehmende Alternative.

Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Meinungen und Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de.

 

Aus dem Börse Express PDF vom 15.07. hier zum Download

 

 Screen 15072022